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Deutliche Worte und ernüchternde Fakten beim Drei-Königs-Treffen der SPD in Wolnzach.

(zel) Wenn es um die Verkehrs- und Mobilitäts-Politik vor Ort geht, lässt es der Pfaffenhofener SPD-Kreischef Markus Käser an deutlichen Worten nicht mangeln. "Wir können nur hoffen, dass wir die Betonköpfe aus der Kreispolitik bringen", sagte er beim Drei-Königs-Treffen seiner Partei in Wolnzach. Man sei Lichtjahre entfernt von dem, was man tun müsse. Käser spricht von "verlorenen Jahren" und kritisiert die CSU. Die Sozialdemokraten fordern ein Umdenken in der Kreispolitik und eine "Mobilitäts-Garantie für alle": Man müsse auch mit nur einem Auto pro Haushalt hier gut leben können. Professor Manfred Miosga zeigte die Notwendigkeit einer "Mobilitäts-Wende" auf: um soziale Gerechtigkeit räumlich umzusetzen und aus globaler Verantwortung im Kampf gegen die Klima-Krise. Es bleibe nicht mehr viel Zeit, um das Ruder herumzureißen.

 

"Es ist an der Zeit, dass endlich diejenigen gefördert werden, die sich im Sinne der Nachhaltig- und Enkeltauglichkeit engagieren", sagte Käser im Gespräch mit unserer Zeitung. "Momentan profitieren von unserem System vor allem Diejenigen, denen das alles scheißegal ist." Er postuliert: "Wir brauchen endlich eine neue Politiker-Generation, die mutig das Notwendige anpackt und nicht allen Bequemlichkeiten nach dem Mund redet." Was nützten die besten Ideen und gute Initiativen, „solange wir eine Übermacht ewig-gestriger Betonköpfe in unseren politischen Gremien haben". Und damit meine er nicht das Alter, "sondern die Einstellung". Die Kommunalwahlen im nächsten Jahr böten eine Chance, das zu ändern. "Ich appelliere an alle, die etwas ändern wollen", so Käser: "Nicht aufgeben, sondern Gas geben – Biogas, versteht sich." 

"Geist von Wolnzach"

Rund 60 Leute waren am gestrigen Abend ins Hotel Hallertau gekommen, um der zehnten Auflage des Drei-Königs-Treffens beizuwohnen, zu dem der hiesige SPD-Ortsverband sowie der Pfaffenhofener Kreisverband der Sozialdemokraten eingeladen hatten. Der "Geist von Wolnzach" ziehe sich immer treibend durch das gesamte politische Jahr, findet Käser. Als einen Beleg dafür nennt er das Thema Wohnen: "Letztes Jahr haben wir die Wohnungsbau-Genossenschaft hier angekündigt, heuer vergeben wir bereits die ersten Wohnungen." Das sei praktische Politik: "Lösungen, die Menschen unmittelbar weiterbringen."

 

Nach der Begrüßung durch die örtliche SPD-Vorsitzende Marianne Strobl stand unter dem Motto "Beam me up, Landrat" ein Impuls-Vortrag von Käser auf dem Programm. Einer chinesischen Raumsonde war bekanntlich dieser Tage die Landung auf der der Erde abgewandten Seite des Mondes gelungen, die nun erkundet werden soll. Käser wunderte es nach eigenem Bekunden, dass dort – sozusagen hinterm Mond – nicht ein Großteil der bayerischen Staatsregierung oder jemand vom Pfaffenhofener CSU-Kreisverband entdeckt worden sei. Denn gerade beim Thema neue Mobilität stünden die Konservativen "naturgemäß seit Jahrzehnten auf der Bremse". 

"Umparken im Kopf"

Käser fordert ein "Umparken im Kopf" und die Bereitschaft, endlich wirklich etwas für die Mobilitäts-Wende sowie damit für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu tun. Die vergangenen Jahre seien im Landkreis Pfaffenhofen diesbezüglich verlorene Jahre gewesen. Ein regionaler ÖPNV-Tarif und Flugtaxis seien noch lange keine ausreichende Alternative zum Pkw, wenn dann kein Bus fahre oder die Flugtaxis nur für wenige Reiche nutzbar seien. Zuerst einmal sollte man sich nach Ansicht des SPD-Kreischefs um eine gute Taktung zu den Verkehrs-Knotenpunkten kümmern. Die hiesigen Sozialdemokraten fordern eine "Mobilitäts-Garantie für alle". Ziel sei in diesem Zusammenhang nicht zuletzt ein Umdenken in der Kommunalpolitik. Man solle auch mit nur einem Auto pro Haushalt gut im Landkreis leben können – und das funktioniere nur mit ausreichend guten Alternativen. 

 

Käser kündigt für Mitte des Jahres einen von seiner Partei initiierten Mobilitäts-Gipfel mit Bürgern aus dem gesamten Kreis an: "Wenn so etwas der Landkreis nicht hinbekommt, machen wir das selbst", bekräftigte er heute gegenüber unserer Zeitung. Man sehe in der Mobilitäts-Wende eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre im Landkreis. Unter anderem gehe es darum, Verkehr und Mobilität auf nachhaltige Energieträger, sanfte Mobilitätsnutzung und Vernetzung verschiedener Formen des Individualverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) umzustellen. 

Räumliche Gerechtigkeit

Als hochkarätigen Referenten hatte die Kreis-SPD für den gestrigen Abend Professor Manfred Miosga eingeladen. Er ist Fachmann in Sachen Stadt- und Regionalentwicklung an der Universität von Bayreuth, Vizepräsident des gemeinnützigen Vereins "Bayerische Akademie Ländlicher Raum" sowie Mitglied der Enquete-Kommission "Gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern". Vor den Genossen sprach er ausführlich und anschaulich über die Mobilitäts-Wende als ein Instrument für wirksamen Klimaschutz sowie als Baustein für räumliche Gerechtigkeit.

 

Professor Manfred Miosga.

Die Garantie von Mobilität lässt sich nach Dafürhalten von Miosga aus der bayerischen Verfassung ableiten. Der Staat, so heißt es da, "fördert und sichert gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land". Mobilität spiele eine Schlüsselfunktion, um soziale Gerechtigkeit im Raum umzusetzen. Ohne soziale Gerechtigkeit bröckle die Gesellschaft auseinander und der Zusammenhalt sei in Gefahr. Aber auch aus globaler Verantwortung im Kampf gegen den Klimawandel warb Miosga für die Mobilitäts-Wende. Ein "Weiter so" sei in der Verkehrs-Politik keine Option, unterstrich er. 

"Dramatische Herausforderungen"

"Fantastisch" sei es, dass die Stadt Pfaffenhofen mutig vorangehe, lobte Miosga. Der kostenlose Stadtbus sei ein "Quantensprung". Natürlich koste das Geld, doch man stehe vor "dramatischen Herausforderungen". Seinen Ausführungen zufolge wäre es zumindest äußerst fragwürdig, die Gewährleistung von Mobilität allein dem ehrenamtlichen Engagement zu überlassen beziehungsweise die Verantwortlichkeiten auf Private oder Kommunen zu delegieren. Hier ist wohl über staatliche Aufgaben zu sprechen. Jedenfalls, so Miosga, dürfe man im Zuge der Gerechtigkeit keine Lösung mehr akzeptieren, welche die Chancen für kommende Generationen verschlechtere.

 

Mobilität, das wurde deutlich, ist ein Mega-Thema. Die Zahl der Pkw steige. Arbeiten und Wohnen seien zunehmend auseinander gedriftet. "Immer mehr Menschen pendeln. Immer mehr Menschen pendeln immer weiter." Anderseits hätten junge Leute oft Probleme, zur Arbeit zu kommen. Miosga warb für ein Denken in "Mobilitäts-Ketten" und für eine Aufstockung der ÖPNV-Mittel. Die von der Enquete-Kommission "Gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern" gemachten Vorschläge seien ein "Steinbruch für Wahlprogramme", schrieb er den Politikern ins Stammbuch. Fazit: "Wir brauchen eine umfassende und tiefgreifende Mobilitäts-Wende."

"Nicht das Klima braucht Schutz..." 

Man stecke "mitten in der Klima-Krise", so Miosga weiter. "Nicht das Klima braucht den Schutz, sondern wir Menschen." Fluchtursachen zu bekämpfen, das bedeute auch die Klima-Krise zu bekämpfen. Er verwies auf die heißen Jahre in jüngster Vergangenheit sowie auf das Rekord-Jahr 2018 in Deutschland. Steuere man nicht radikal dagegen, werde ein solches Jahr nicht die Ausnahme sein, sondern die Regel. Eine der Folgen: Ernte-Ausfälle. Anhand von Daten, Entwicklungen und globalen Zusammenhängen veranschaulichte Miosga: "Die Dramatik hat sich verschärft." Der Eindruck, der unweigerlich entstand: Es ist nicht fünf vor, sondern schon kurz nach Zwölf.

 

Professor Manfred Miosga und SPD-Kreischef Markus Käser.

Möglichst schnell müsse – global – Mobilität treibhausgas-neutral werden. Das wüssten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Bosse aus der Auto-Industrie seit Jahren, so Miosga. Die angebotenen Lösungen seien deshalb "irritierend", attestierte er unter anderem mit Blick auf die Diesel-Krise. Keinen Zweifel daran ließ er, dass die E-Mobilität wohl nicht der Königsweg sein kann. Rohstoff-Konflikte würden so lediglich verlagert – vom Öl weg etwa hin zu Lithium. Außerdem müssten Fabriken zur Gewinnung gebaut werden, was viel Strom benötige. Und nicht zuletzt bei der Produktion von Akkus entstünden große Mengen an CO2

Drakonische Maßnahmen?

Skeptisch zeigt sich Miosga auch in Sachen Digitalisierung beziehungsweise gegenüber dem autonomen Fahren. "Ich sehe da die Lösung nicht." Unter anderem erfordere das die nötige Infrastruktur zur Bewältigung und Übertragung der riesigen Datenmengen. Zugleich erhöhe sich dadurch der Energie-Verbrauch unermesslich. Eine Lösung sieht Miosga vielmehr in der Reduzierung der Pkw-Anzahl. "Wenn wir nichts tun, erwischt es unsere Enkel und Kinder – und zwar hart", sagte er grundsätzlich. Und: "Wir haben nicht mehr viel Zeit, um das Ruder herumzureißen." Es brauche drakonische Maßnahmen, auch von staatlicher Seite.

 

Der Professor verwies auf Studien, wonach für die Mobilitäts-Wende in Deutschland auf verschiedensten Ebenen gehandelt werden müsste. Zum Beispiel: neue Arbeitsformen, Sharing-Modelle, E-Fahrzeuge, erneuerbare Energien, weniger Autos, Reduzierung des Flugverkehrs, Änderung des Lebensstils. Mitunter unpopuläre Maßnahmen. Zumal – und das ist eine weitere Herausforderung – die Mobilitäts-Bedürfnisse trotzdem erfüllt bleiben müssten. Hier seien ein Wettbewerb der Ideen und neue Denkmodelle gefragt, es brauche Erfindergeist. Wenngleich alte Zöpfe abgeschnitten werden müssten: Dabei könnten auch neue Arbeitsplätze entstehen, prophezeit Miosga.


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