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Auch am vierten Tag der „Rentnermord“-Verhandlung gegen Heinz Josef M. sind stichhaltige Beweise Mangelware 

Von Michael Schmatloch 

Auch am vierten Verhandlungstag in Sachen „Rentnermord“ kamen heute im Landgericht Ingolstadt keine Fakten auf den Tisch, die auch nur im Ansatz geeignet scheinen, dem Angeklagten Heinz Josef M. Kopfzerbrechen zu bereiten. Wie mehrfach berichtet wird er beschuldigt, am 13. August vergangenen Jahres den Rentner Helmut P. in dessen Wohnung in der Hollarstraße mit einer Limoflasche brutal auf dem Kopf geschlagen und anschließend erwürgt zu haben. Trotz zahlreicher Indizien jedoch und einem eher gefühlsmäßig verankerten „Der war es“ scheint im Augenblick alles auf einen Freispruch zweiter Klasse hinauszulaufen. Und das bedeutet: Freispruch aus Mangel an Beweisen.

Denn den eindeutigen Beweis, den ist die Staatsanwaltschaft bislang schuldig geblieben. Der Hauptbelastungszeuge, der Heinz Josef M. unmittelbar nach der Tat aus der Wohnung des Ermordeten hatte kommen sehen, war sich vor den Schranken des Gerichtes dann eben doch nicht zu hundert Prozent sicher, dass der Mann, der aus der Wohnung gekommen war, auch tatsächlich Heinz Josef M. gewesen war. Und auch die Gutachter des Landeskriminalamtes, die Fingerabdrücke und DNA-Spuren analysiert hatten, lieferten keine zweifelsfreien Indizien. Zwar war auf der Tatwaffe – der Limoflasche – ein Fingerabdruck des Angeklagten eindeutig nachgewiesen worden. Der aber könnte auch durch eine völlig harmlose Berührung dahin gelangt sein. Dass Heinz Josef M. sie als Schlagwerkzeug benutzt hat, das ist wahrscheinlich, lässt sich durch die Spurenlage aber nicht eindeutig belegen. Und auch die DNA-Spuren unter den Fingernägeln des Opfers sagen kaum mehr aus, als dass Heinz Josef M. in der Wohnung war und Berührung mit dem Opfer hatte. Diese Berührung indes könnte im trivialsten Fall auch ein Handschütteln gewesen sein. Und muss zudem nicht vom Tag der Tat stammen. Keine zwingende Beweislast also. Zumal die Tatsache, dass der Angeklagte sich in der Wohnung aufgehalten hat, nie bestritten wurde. Und ausschließlich das hätten die DNA-Spuren beweisen können, hätte es dazu denn eines Beweises bedurft.

Und heute? Wieder Fehlanzeige, was harte Fakten betrifft. Im Gegenteil. Fest steht nämlich nach den Aussagen dreier Zeugen, dass Heinz Josef M. am Tag der Tat gegen 17 Uhr im Gasthaus Schwalbe war, um dort genüsslich ein Bier zu trinken und eine Sülze zu essen. Ein Beweis, dass er in Ingolstadt war, mehr nicht. Der gesunde Menschenverstand verleitet einen sogar zu der Vermutung, dass jemand, der soeben einen Menschen getötet hat, sich kaum in einen Biergarten in der Nähe des Tatortes setzt, um da in aller Ruhe – der Angeklagte war bis etwa 19.30 Uhr da – Brotzeit zu machen. Es sei denn, er wäre unglaublich abgebrüht und kaltschnäuzig.

Das indes ließ die Aussage eines anderen Zeugen nicht vermuten. Der Inhaber einer Autowerkstatt jedenfalls, der den Angeklagten lange und gut kannte und dessen Sohn bei ihm in die Lehre gegangen war, beschrieb Heinz Josef M. als „angenehmen und ruhigen Menschen“. Er habe ihn nach vielen Jahren im vergangenen Jahr vor oder nach der Tat – dass könne er heute nicht mehr sagen – wieder getroffen, habe aber lediglich bemerkt, dass es ihm offenbar schlecht ging und er kein Geld hatte. Und hätte er ihn denn darum gebeten, dann hätte er Heinz Josef M. sogar Geld gegeben.

Als „nicht auffällig und vollkommen normal“, beschrieb ihn auch ein ehemaliger Arbeitskollege bei Audi. Der hatte den Angeklagten ebenfalls im vergangenen Jahr „nach etwa 20 Jahren“ beim Fischerstechen wieder getroffen. Und hatte das Gefühl, er wollte sich Geld leihen, weswegen er und seine Frau sich damals recht flott vom Acker gemacht hatten. Und seine Frau meinte abermals, sie könne über Heinz Josef M. aus der gemeinsamen Zeit bei Audi „nichts Negatives“ sagen.

Interessant immerhin. Bei dem Treffen an der Donaubühne hatten beide sofort das defekte Gebiss von Heinz Josef M. bemerkt, von dem die Polizisten, die den Angeklagten aus Spanien überführt hatten, am zweiten Verhandlungstag erzählt hatten. Wegen dieses defekten Gebisses, das – so die bisherige Vermutung – bei einem Handgemenge zwischen ihm und dem Opfer zu Bruch gegangen sein könnte, kam es nach dem bisherigen Bild des Tathergangs zum ultimativen, tödlichen Streit zwischen Helmut P. und Heinz Josef M.. Das jedoch ist nach den heutigen Aussagen so nicht haltbar. Denn das Fischerstechen, bei dem die beiden Zeugen das defekte Gebiss bemerkt hatten, das war am 10. August 2012. Und Helmut P. kam am 13. August ums Leben.

Noch stehen etliche Verhandlungstage an. Bislang aber kann man sich nur dem anschließen, was einer der Zeugen heute vor Gericht meinte: „Ma woaß ja ned, war er’s oder war er’s ned.“

Weitere Verhandlungstage: 18., 21., 25., 26. und 28. November sowie 5., 9. und 12. Dezember.

 


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