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Im Pfaffenhofener Stadtrat ist heute eine kontroverse Debatte über die Archivierung der Live-Streams aus den Sitzungen entbrannt – am Ende wurde das Thema vertagt, und die Diskussion ebenfalls

Von Tobias Zell

Es war heute nach der konstituierenden Zusammenkunft vom Dienstag die erste „richtige“ Sitzung des neuen Pfaffenhofener Stadtrats, und schon ist eine Grundsatzdebatte entbrannt. Es geht um Wochen oder Monate, um Gesagtes und Gemeintes sowie die Frage nach der Archivierung – und, wenn ja: nach deren Dauer. Es geht um die Angst vor der Unendlichkeit und den Schutz der Persönlichkeitsrechte auf der einen Seite sowie um die Forderung nach Transparenz und Bürgerservice auf der anderen. Aber der Reihe nach.

Zunächst einmal ging es lediglich um die Frage, ob die Live-Übertragung der Stadtrat-Sitzungen im Internet fortgeführt werden soll. Seit 28. Juni 2012 werden bekanntlich die öffentlichen Sitzungen in Pfaffenhofen per Live-Stream für jedermann abrufbar im weltweiten Datennetz angeboten. Durchaus mit Erfolg. Im Schnitt schauen 700 bis 800 Leute übers Internet zu

So weit, so gut. Gegen diesen Live-Stream, sprich: dessen Fortsetzung, scheint auch der Stadtrat in seiner künftigen Zusammensetzung – neun neue Mitglieder sind dabei – nichts zu haben. Die Debatte entzündete sich denn auch an der Frage der Archivierung. Seit Oktober wird die Aufzeichnungen einer Sitzung für jeweils eine Woche auf der städtischen Webseite zur Verfügung gestellt.

Den Räten von SPD, Freien Wählern, Grünen und ÖDP ist das nicht lang genug. Das bunte Bündnis will – so steht es auch in dem kürzlich verabschiedeten Koalitionspapier – dass die Videos zwölf Monate abrufbar bleiben. Und genau das löste heute eine kontroverse Debatte aus. Der CSU nämlich geht das ganz offensichtlich zu weit. Hans Prechter missfällt diese angedachte „Ver-52-fachung“ der Archivierungsdauer – von einer Woche auf ein Jahr. 

Der Live-Stream aus den Sitzungen wird höchstwahrscheinlich fortgesetzt – die Frage ist nur, wie lange die Videos im Archiv abrufbar bleiben.

Und mit seiner Skepsis steht der Altbürgermeister in seinen Reihen keineswegs alleine da. Der neue CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann findet den Live-Stream als Beitrag zur Transparenz an sich gut. Doch hinsichtlich eines Dauer-Archivs hat er so seine Bedenken.  Das Stadtratsgremium solle sich indes nicht überschätzen, indem es glaube, die Wortbeiträge seien so wichtig, dass man sie zwölf Monate aufheben müsse, plädierte der Anwalt. Sonderlich schlagkräftig indes war dieses Argument nicht.

SPD-Chef Markus Käser hielt dennoch gleich mal dagegen. Warum solle man etwas, das man eine Woche sehen kann, nicht auch zwölf Monate anschauen können? Er sieht einen Gewinn für die Nutzer, sprich Bürger, sprich Wähler. In Richtung der CSU beruhigte er süffisant: Das Gesagte werde auch durch eine zwölfmonatige Archivierung nicht richtiger oder falscher.

Aber wer es etwa binnen eines Monats nicht anschaut, der schaut es auch innerhalb eines Jahres nicht an, argumentierte Hans Prechter. Jetzt könnte man natürlich sagen: Dann ist es doch eh egal. Aber ihm ging es ja um etwas anderes. Er verspürt „datenschutzrechtlich ein gewisses Bauchgrimmen“, wie er sagte. Käser indes sieht das vollkommen anders. „Wenn’s nach mir geht, ist ein Jahr schon zu kurz.“ Seiner Meinung nach sollten die Videos der Stadtratssitzungen „für immer“ verfügbar sein. 

Auch Bürgermeister Thomas Herker (SPD) warb für eine längerfristige Archivierung. Für die Bürger sei das durchaus interessant, wenn sie zurückschauen könnten, erklärte er. Rohrmann brachte für die Christsozialen eine Bereitstellung der Videos für jeweils vier Wochen als Kompromiss ins Spiel, doch da lief er bei Käser ins Leere. „Ich kann diese schrittweisen Rückzugsgefechte nicht nachvollziehen“, ätzte er und fühlte sich gar wie auf dem „Basar“.

Für den SPD-Fraktionschef geht es nämlich bei der Archivierung nicht um die Frage nach einem, zwei, sechs oder zwölf Monaten, sondern um die Idee, dass man das, was im Stadtrat diskutiert werde, mit Hilfe eines zeitgemäßen Mediums zur Verfügung stellt. Und wenn es möglich sei, das dauerhaft zu tun, warum solle man sich dann selbst beschränken?

Mit diesem Gerät, das in alle Richtungen filmen kann, wird der Live-Stream aus den Sitzungen umgesetzt.

Das sieht Manfred „Mensch“ Mayer (GfG) ebenso. Sein Credo: Wenn man archivieren will, dann ist die Zeitfrage kein Thema. Doch genau in diesem Punkt ist man eben bei der CSU anderer Ansicht. „Ich habe vor dieser Unendlichkeit eine gewisse Sorge“, befand Hans Prechter. Außerdem fragt er sich in dieser Angelegenheit ganz generell, warum Stadträte weniger Persönlichkeitsrechte haben sollen als normale Bürger.

Bürgermeister Herker hat indes ganz offensichtlich keine Befürchtungen, dass ihm das von ihm Gesagte dank des Video-Archivs eines Tages zum Nachteil gereicht. Er habe jedenfalls bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht und keine großen „Entblödungsängste“ oder „Entblößungsängste“. Eines dieser beiden Worte gebrauchte Herker, akustisch war es nicht 100-prozentig zu verstehen und Sinn gäbe beides.

„Wir sind doch alle Stadträte und stehen tagtäglich in der Öffentlichkeit“, betonte Andreas Kufer (FW). „Jeder, der was sagt, sollte dazu stehen“, warb er für die dauerhafte Archivierung des Streams. Als Käser dann, offenbar um die Sache zu einem Abschluss zu bringen, einen Kompromiss von sechs Monaten Vorhaltezeit vorschlug, regte sich Barbara Breher (CSU) auf: Gerade Käser habe doch vorher der CSU „Basar“ vorgeworfen und nun fange er an zu handeln, sagte sie sinngemäß.

Ob zum Zeitpunkt von Brehers Einlassung die Sitzung bereits unterbrochen war oder nicht, war nicht so ganz klar. Spielte aber keine Rolle. Jedenfalls gab es nun erst einmal eine Pause, damit die Fraktionen sich besprechen konnten. Zehn Minuten redeten sich nun alle die Köpfe heiß. Und dann ergriff zunächst Dauer-Archivierungs-Befürworter Käser das Wort und sah plötzlich selbst noch Klärungsbedarf. „Uns ist das Thema so wichtig, dass wir einstimmig da rausgehen wollen“, rechtfertige er. Sein Vorschlag: Erst einmal alles so lassen, wie es ist, und in der nächsten Sitzung explizit über die Archivierung reden und dann darüber abstimmen.

Klärungsbedarf – das konnte Rohrmann für die CSU nur unterschreiben. Man möge dann bis zur nächsten Sitzung auch die Frage nach Kosten, Speicher-Kapazitäten und Verfügbarkeit klären. So wurde also am Ende der Tagesordnungspunkt 12 („Entscheidung zur Fortsetzung der Live-Übertragungen aus dem Stadtrat“) abgesetzt, das Thema vertagt. Damit gilt, was zuletzt beschlossen wurde.

Einstimmig hatte der Stadtrat am 18. Juli 2013 zum Erfahrungsbericht nach einem Jahr Live-Stream beschlossen: „Die Live-Übertragung der öffentlichen Stadtratssitzungen wird zunächst bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode fortgesetzt. Zusätzlich sollen die beiden Mai-Sitzungen des neuen Stadtrates per Live-Stream übertragen werden; ob weiterhin eine Live-Übertragung der Stadtratssitzungen gewünscht wird, ist vom neuen Gremium zu entscheiden.“

Aus Sicht der Stadtverwaltung bietet die Live-Übertragung ein umfassendes Informationsangebot. Online stehen, parallel zum Stream, die Tagesordnung, die begleitende Präsentation und alle Beschlussvorlagen für alle Nutzer bereit. Der Live-Stream leiste einen wichtigen Beitrag zu Transparenz und Bürgernähe und baue die Kommunikation der Stadt mit ihren Bürgern weiter aus. Nach wie vor kämen Anfragen weiterer Kommunen – bis zur Landeshauptstadt München – zum „Pfaffenhofener Modell“, heißt es von der Verwaltung unüberlesbar nicht ohne Stolz. Doch darum geht es ja nicht. Nun darf man gespannt sein, wie die Stadträte in der nächsten Sitzung über die Archivierung entscheiden.

Eines kann man aber jetzt schon konstatieren: Während man in Ingolstadt noch ringt, ob die Sitzungen überhaupt live übertragen werden sollen, ist man in Pfaffenhofen wieder mal einen Schritt weiter. Dort diskutiert man über die längerfristige Archivierung.

Weiterer Artikel zur Sitzung:

Wer kümmert sich um was?

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