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Was der EADS-Umbau für den weltgrößten Cassidian-Standort in Manching bedeutet, ist weiter unklar – betriebsbedingte Kündigungen wird es aber wohl nicht vor dem Sommer geben. "Umbau ja, Stellenstreichungen nein", fordert indes die Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter (Linke)

Von Tobias Zell

EADS streicht im Rahmen des umfangreichen Konzern-Umbaus im großen Stil von Stellen. Wie gestern verkündet wurde, sollen in den nächsten drei Jahren insgesamt 5800 Jobs wegfallen. Und keineswegs beiläufig sollen davon die bayerischen Standorte betroffen sein. Angeblich sollen allein im Freistaat 2000 Stellen gestrichen werden. Die Gretchenfrage lautet nun: Was bedeutet das alles für Manching, wo derzeit der mit rund 4400 Beschäftigten weltgrößte Cassidian-Standort angesiedelt ist? Offiziell gab es dazu heute auf Anfrage unserer Zeitung keine Antwort. Doch wenn man eins und eins zusammenzählt, dann können die Beschäftigten zumindest noch einmal leicht aufatmen. Denn zu betriebsbedingten Kündigungen wird es dem Vernahmen nach wahrscheinlich frühestens im Sommer nächsten Jahres kommen.

Fest steht aber bereits: In Manching fallen gut 200 Stellen auf jeden Fall wegfallen. Das erklärte Florian Taitsch, Leiter Wirtschaftspresse und Finanzkommunikation bei Cassidian, schon im April gegenüber unserer Zeitung. Und das war lange, bevor EADS seine umfangreichen Konzern-Umbaupläne verkündet hat. Doch nun stehen ganz andere Dimensionen im Raum.

Offiziell gibt es, wie gesagt, noch keine Auskünfte darüber, was der Konzernumbau für Cassidian in Manching bedeutet. Und auch die Frage, ob dort Stellen wegfallen – und wenn ja, wie viele – muss vorerst offen bleiben. „Wir können noch keine Standort-Zahlen kommentieren“, erklärte Gregor von Kursell, EADS-Pressechef für Deutschland, heute gegenüber unserer Zeitung. In Manching wollte man noch weniger sagen und verwies gleich direkt nach München.

„Wir wollten erst einmal sagen, wo wir hinwollen“, sagte Gregor von Kursell mit Blick auf die gestern veröffentlichten Umbau-Pläne. „Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit im Verteidigungs- und Raumfahrtgeschäft steigern – und wir müssen jetzt damit beginnen“, hatte EADS-Boss Tom Enders gestern dargelegt. „Unsere traditionellen Märkte in diesen Bereichen schrumpfen, daher müssen wir dringend den Zugang zu internationalen Kunden verbessern und Wachstumsmärkte erschließen. Dafür müssen wir Kosten senken, Überschneidungen bei Produkten und Ressourcen abbauen, Synergien in unseren Aktivitäten sowie im Produktportfolio heben und unsere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten gezielter ausrichten. Das sind die Ziele der Restrukturierung und Integration unseres Verteidigungs- und Raumfahrtgeschäfts.“

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Die IG Metall rief kürzlich am Cassidian-Standort Manching zu einer Protest-Kundgebung auf. Das war noch, bevor EADS gestern verkündet hat, dass insgesamt 5800 Stellen in dem KOnzern wegfallen sollen.

EADS hat dem Europäischen Betriebsrat gestern, wie angekündigt, einen umfangreichen Restrukturierungsplan für die künftige Division „Airbus Defence and Space“ (Airbus DS) vorgelegt. Die Vorstellung des Plans folgt einer Entscheidung des EADS-Verwaltungsrats aus dem Juli. Diese sieht die Zusammenführung des Verteidigungs- und Raumfahrtgeschäfts in einer neuen Division sowie die Umbenennung des EADS-Konzerns in „Airbus Group“ vor.

Insgesamt plant EADS nach eigenen Angaben den Abbau von 5800 Stellen bei der künftigen neu entstehenden Airbus DS sowie in den Konzernfunktionen beziehungsweise der Zentrale bis Ende 2016. Für betroffene Mitarbeiter sei vorgesehen, bei Airbus und Eurocopter bis zu 1500 Stellen bereitzustellen. Nach der Nicht-Verlängerung von rund 1300 befristeten Verträgen und der Umsetzung zusätzlicher freiwilliger Maßnahmen werde sich der endgültige Personalabbau zwischen 1000 und 1450 Stellen bewegen – „unter der Voraussetzung, dass die freiwilligen Maßnahmen angenommen werden“, wie der Konzern klarstellt.

Und genau aus diesen Äußerungen und dem, was hinter vorgehaltener Hand die Runde macht, lässt sich ableiten, dass es wohl frühestens im kommenden Sommer zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Denn zunächst einmal soll nun geprüft werden, welche Mitarbeiter freiwillig zum Beispiel zu Eurocopter wechseln. Außerdem geht es natürlich um die Frage, wer von sich aus EADS verlässt, weil er einen anderen Job in Aussicht hat, weil er vorzeitig in Rente geht oder ähnliches. Untersucht wird in diesem Zusammenhang sicher auch, welche Mitarbeiter gegen Abfindung bereit wären, den Konzern zu verlassen.

Nach Informationen unserer Zeitung geht man bei EADS davon aus, dass die Überprüfung all dieser möglichen „freiwilligen Maßnahmen“ bis zum kommenden Sommern dauern wird. Erst dann wird sich zeigen, wie viele von den 5800 Stellen, die wegfallen sollen, betriebsbedingten Kündigungen zum Opfer fallen müssen. Das heißt aber wiederum: Bis dahin wird es höchstwahrscheinlich auch keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Danach aber so gut wie sicher. Denn bei EADS geht man nicht davon aus, dass die Streichung von 5800 Stellen ausschließlich durch „freiwillige Maßnahmen“ realisiert werden kann. Und spätestens dann stehen die besagten 1000 bis 1450 Stellen im Feuer.

EADS beginnt nun nach eigenen Angaben gemeinsam mit den Betriebsräten, geeignete Sozialmaßnahmen und Lösungen für alle betroffenen Mitarbeiter zu erarbeiten. Der Restrukturierungsplan für das Verteidigungs- und Raumfahrtgeschäft des Konzerns sieht eine umfassende Konsolidierung von Standorten in Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien vor.

Aus Kosten- und Effizienzgründen werde die neue Division Airbus DS ihre Rechtsstrukturen vereinfachen und konsolidieren, wie weiter mitgeteilt wird. Die neue Division startet am 1. Januar 2014 auf Führungsebene. Nach dem Konsultationsverfahren mit den Betriebsräten, das voraussichtlich Mitte 2014 abgeschlossen sein wird, sollen die drei Divisionen Airbus Military, Astrium und Cassidian dann als Airbus DS auf allen Ebenen voll integriert und funktionsfähig sein.

Die Zentrale der Division Airbus DS wird in Ottobrunn/Taufkirchen angesiedelt. Etwa 1000 Funktionen, die sich derzeit in Unterschleißheim befinden, werden dorthin umziehen. Weitere 200 bis 300 in Unterschleißheim angesiedelte Mitarbeiter werden an andere süddeutsche Standorte von Airbus DS verlagert. Der Konzern plant die Veräußerung des Standorts Unterschleißheim. Airbus-Mitarbeiter, die derzeit in Bremen in der A400M Integrated Fuselage Assembly (IFA), am Cargo Hold System (CHS) oder in weiteren „Cabin & Cargo“- Aktivitäten beschäftigt sind, werden Ende 2014 im Rahmen der Vereinfachung der Rechtsstruktur des Konzerns in Airbus DS integriert. 

Bulling-Schröter: "Umbau ja, Stellenstreichungen nein"

„Umbau ja, Stellenstreichungen nein“, fordert indes die Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter von den Linken. „Jetzt bestünde die Chance, Großteile der Produktion, Forschung und Konstruktion auf zivile Produkte umzustellen“, erklärt sie. „Zukunftsfragen werden nicht mit Rüstungsgütern gelöst, sondern mit Produkten die der Menschheit ein Überleben sichern. Dazu gehört der Kampf gegen den Klimawandel genauso wie die Einsparung von Ressourcen und Recycling.“ Deshalb müsse sich ein Konzern, der seine soziale Verantwortung ernst nehme, mit zivilen und zukunftsfähigen Produkten befassen, „denn Personalabbau ist immer die schlechteste und schnellste Lösung“.

Ursache der Krise bei EADS ist nach Meinung von Bulling-Schröter das Festhalten der Konzernführung an nicht wettbewerbsfähigen Produkten. „Langfristig erscheint nur eine Konversion der Rüstungsbetriebe sinnvoll, um den Beschäftigen eine Zukunftsperspektive zu bieten.“ Gerade die Beschäftigten bei Cassidian seien hochqualifiziert und hochmotiviert, gerade sie wären nach Dafürhalten der Bundestagsabgeordneten in der Lage, neue innovative Produkte zu entwickeln, die die Gesellschaft wirklich vorwärts bringen. „Eine langfristige Konversion der Rüstungsbetriebe kann nämlich nur mit Einbeziehung der Belegschaft geschehen“, so Bulling-Schröter. Und mit Blick auf die sich abzeichnenden Große Koalition in Berlin sagt sie: „Eine zukünftige Bundesregierung wäre gut beraten, endlich Rüstungskonversion zu unterstützen und hierfür auch die notwendigen Gelder zur Verfügung zu stellen."

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