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In Reichertshofen halten die Debatten über die marode Paarhalle und zum beschlossenen Rathaus-Neubau an. Es gibt viele Forderungen, ein Zukunfts-Konzept – und schon wieder eine neue Wendung.

Von Alfred Raths

Reichertshofens Bürgermeister Michael Franken (JWU) scheint langsam etwas genervt von den Debatten, Kontroversen und Streitigkeiten zum längst beschlossenen Rathaus-Neubau sowie vom Zoff über die Zukunft der maroden Paarhalle. Den jüngsten Forderungs-Katalog der fusionierten Initiative "Pro historisches Rathaus und Paarhalle", die zwei Bürgerentscheide anstrebt, kommentiert er mit deutlichen Worten: "Was will die Bürger-Inititative überhaupt?" Ehe sich heute Abend der Gemeinderat auch mit der Hallen-Sanierung befasst, die ja von der BI vehement gefordert wird, gibt es schon wieder eine neue Wendung. "Jetzt hat die Bürger-Initiative 'Pro Paarhalle' allen Ernstes die Gemeinderäte aufgefordert, nichts zu überstürzen und gegen die Sanierung zu stimmen – obwohl sie in ihrem verschusselten Bürgerbegehren genau das gefordert hat", sagt Franken unserer Zeitung und kritisiert: "Glaubwürdigkeit sieht anders aus." 

 

Die heutige Sitzung des Reichertshofener Gemeinderats (Beginn ist um 18.30 Uhr) verspricht jedenfalls – nicht nur angesichts der tropischen Temperaturen – heiße Themen. Tagesordnungspunkt 2 sieht vor: Grundsatz-Beschluss zur Sanierung der Paarhalle; Festlegung eines Zeitplans; Durchführung einer Bürgerbeteiligung zur zukünftigen Nutzung. "Ich denke, der Gemeinderat wird seinen geplanten Weg weitergehen, den Grundsatz-Beschluss zur Sanierung fassen, einen Zeitplan aufstellen und die Details zur Bügerbeteiligung festlegen", sagte dazu der Bürgermeister im Vorfeld gegenüber unserer Redaktion.

Tagesordnungspunkt 3 umfasst dann die Beschlussfassung über das Zukunfts-Konzept – hier geht es unter anderem um den Rathaus-Neubau – sowie  die Beschlussfassung über das von Franken diesbezüglich angekündigte Ratsbegehren. Er will, wie berichtet, die Einheimischen per Bürgerentscheid befinden lassen. Die Fraktions-Vorsitzenden Gabi Breitmoser (CSU), Waltraud Schembera (SPD), Erwin Strasser (JWU) und Ludwig Heigl (FW) hatten den Vorschlag des Bürgermeisters in Sachen Ratsbegehren bereits begrüßt.

 

Um diese beiden Gebäude geht es: Links die Paarhalle, rechts das alte Rathaus (Fotomontage).

Demnach könnten alle Wahlberechtigten aus der Kommune über ein bereits im Januar vom Gemeinderat einstimmig befürwortetes Konzept abstimmen, wonach am "Unteren Markt" ein neues Rathaus gebaut sowie das alte Rathaus für andere Zwecke hergerichtet werden soll. Franken hat mit der Umsetzung dieses Konzepts, wie berichtet, mehrere Ziele im Blick. Erstens: "Ansprechende Gestaltung des Schandflecks Unterer Markt." Zweitens: "Erhalt, Sanierung und Aufwertung des historischen Ensembles am Schlossberg." Drittens: "Vergrößerung und Attraktivitäts-Steigerung für die beengte und alte Bücherei."  

Die örtlichen Interessen-Gemeinschaften in Sachen Rathaus und Paarhalle traten bekanntlich bislang unter immer wieder anderen Namen auf, sodass man mitunter Gefahr lief, den Überblick zu verlieren. Zum Beispiel nannten sie sich "Ja zum historischen Rathaus", "Initiative für die Generalsanierung der Paarhalle", "Pro historisches Rathaus" oder auch "Bürger pro Paarhalle". Dann tat man sich, zunächst mit jeweils eigener Bezeichnung, zusammen – wollte sich gegenseitig unterstützen, um letztlich über zwei Bürgerbegehren auch zwei Bürgerentscheide herbeizuführen. Mit diesem Wirrwarr sollte nun mutmaßlich Schluss sein. Denn augenscheinlich machen die Paarhallen-Freunde und die Rathaus-Neubau-Gegner neuerdings auch formal gemeinsame Sache. Zwei Bürgerentscheide soll es trotzdem geben, denn es geht ja um zwei Themen.  

  

Die fusionierte Initiative nennt sich laut eigener Mitteilung nun "Pro historisches Rathaus und Paarhalle", Sprecher sind der Reichertshofener SPD-Vorsitzende Wolfgang Freudenberger sowie Karl Schweiger. Sie bekräftigten erst kürzlich per Pressemitteilung ihren Forderung-Katalog. Außerdem entschuldigte man sich für die praktisch umsonst gesammelten knapp 1600 Unterschriften: Wie berichtet, hatten die Initiatoren ein bereits eingereichtes Bürgerbegehren – für den Erhalt und die Sanierung der Paarhalle – zurückgenommen. Sie taten das, weil ihnen – wie sie selbst einräumten und auch die Gemeinde-Verwaltung bestätigte – handfeste Formfehler unterlaufen waren, die mutmaßlich ohnehin die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens zur Folge gehabt hätten.  

Unter der Überschrift "Sanieren statt verspekulieren" erteilten die beiden Sprecher der gemeinsamen Bürger-Initiativen dem anvisierten Rathaus-Neubau jedenfalls eine klare Absage. Wörtlich erklären sie: "Wir wollen keinen riesigen Rathaus-Klotz mit fast 1600 Quadratmetern Raumbedarf ohne Sitzungssaal und Trauungszimmer für einen Markt mit 8500 Einwohnern auf einem kleinen Grundstück fast ohne Parkplätze und an einer problematischen Stelle nahe der Paar." 

Hier soll das neue Rathaus entstehen, wenn es nach Bürgermeister und Gemeinderat geht.

Auch finanziell halten sie den Rathaus-Neubau für wenig sinnvoll. "Das Ganze wird ohne staatliche Zuschüsse erstellt, die es aber gegeben hätte, wenn das jetzige Rathaus saniert würde", meinen sie. Beispiele dafür gebe es in Vohburg, Beilngries, Feldafing und Bad Aibling. Außerdem fragten sie sich, wie im Falle eines Neubaus die Sanierung des alten Rathauses bezahlt werden soll. "Wenn dann das neue Rathaus gebaut ist, soll die Sanierung des alten Rathauses beginnen. 2021 beträgt der Schuldenstand unseres Marktes nachweislich 4,05 Millionen Euro. Wie soll dann noch ein Bürgerschloss finanziert werden?" 

Für die Sanierung des gesamten Schlossberges zum Bürgerschloss gebe es außerdem weder ein Konzept noch einen Termin, so ein weiterer Kritik-Punkt – und die Paarhalle spiele bei alledem keine Rolle. Freudenberger und Schweiger verwiesen auf das vorvergangene Wochenende, als das 50-jährige Jubiläum der Faschings-Gesellschaft REB in einem Festzelt neben der Paarhalle gefeiert wurde. In einem Ambiente, das die beiden wenig begeisterte. "Frauen und Männer in festlicher Garderobe saßen an Biertischen und auf Bierbänken in einem Bierzelt. Nebenan steht eine Veranstaltungshalle, die vor sich hingammelt. Sogar externe Honoratioren fragten sich, warum diese Veranstaltung nicht in der Paarhalle stattfand." 

  

Die Initiative fasste ihre gebündelten Forderungen wie folgt zusammen: "Umfassende Sanierung der Paarhalle und mögliche Nutzung zusätzlich als Bürgerhaus. Sanierung des Rathauses, um das uns viele Kommunen beneiden, damit die Verwaltung wieder einen tollen Arbeitsplatz hat. Sanierung des restlichen Gebäude-Komplexes am Schlossberg für eine eventuelle Rathaus-Erweiterung und einem Haus der Vereine, dabei Überprüfung des Raumbedarfs für das Rathaus und das Haus der Vereine (keine Wunschlisten). Ein schlüssiges Konzept für den 'Unteren Markt', zum Beispiel mit Bücherei. Ein Konzept für die Nutzung der jetzigen Bücherei." 

Der Bürgermeister will diese jüngsten Ausführungen der BI nicht so stehen lassen. Der Unterschied "zwischen dem fachlich ausgearbeiteten Konzept des Gemeinderats" und "dem Wünsch-Dir-was der Bürgerinitiative" sei: "Das Konzept des Gemeinderats ist finanzierbar!" Es solle endlich Schluss mit Halbwahrheiten sein, fordert Franken. Er stellt auch klar, dass das Rathaus eben nicht nur für 8500 Leute sei. "Übrigens ist unser Rathaus für 10 500 Einwohner und beim Standesamt  für 16 000 Einwohner zuständig", betont er. Der Flächenbedarf belaufe sich auf etwa 1100 Quadratmeter inklusive Lager und Archiv) – plus 25 Prozent Verkehrsflächen und mit einem Bistro käme man insgesamt auf eine Bruttogeschossfläche von 1600 Quadratmeter.

 

Wolfgang Freudenberger (SPD) vor der Paarhalle.

Zur Paarhalle erklärte Franken, dass die Sport- und Mehrzweckhalle laut Gutachten in einem baulich guten Zustand sei – die Anbauten seien sanierungsbedürftig. Deutlich wird er, was den Umgang mit dem Gebäude über die vergangenen Jahrzehnte betrifft: "Das Problem der Halle ist: Wegen Versäumnissen der Vergangenheit gibt es keine passende Baugenehmigung. Die Nutzung von 1979 bis 2011 mit teilweise weit mehr als 200 bis 800 Personen war nie zulässig." Zum Glück für die Verantwortlichen sei nie etwas passiert. Die aktuellen Gemeinderäte seien sich ihrer Verantwortung bewusst und hätten bereits im Frühjahr die ersten Schritte für die Sanierung eingeleitet. "Was will die Bürger-Initiative zur Paarhalle denn überhaupt?"

Mit den Bürgern müsse diskutiert werden, für welche Nutzung die Halle genau saniert werden solle – und wie viel die Bürger dafür bereit seien zu bezahlen, so Franken. Nach dem über drei Jahre gelaufenen ISEK-Prozess sei die Variante, die Mehrzweckhalle – eventuell auch an einem anderen Standort – neu zu bauen, "denke ich, vorerst vom Tisch". Was zeitnah in Angriff genommen werden müsse, seien die Giebelseiten und ein neues Dach auf den Vorbau. "Danach können wir in die Bedarfsermittlung mit der Bürgerschaft einsteigen und die daraus resultierenden Kosten bewerten", so Franken: "Momentan habe ich das Gefühl, dass jedem alles versprochen wird – von der Sporthalle über Ausstellungshalle und Vereinsheim bis hin zum Konzertsaal."

 

Zur Forderung nach einer Sanierung des alten Rathauses erklärt Franken, dass es eine bewusste Entscheidung des Gemeinderats gewesen sei, beim Rathaus-Neubau den derzeitigen Rathaus-Komplex als repräsentatives Gebäude zu erhalten sowie diesen umfassend zu sanieren. "Also wird dieser Wunsch ja ohnehin erfüllt." Zur verlangten Sanierung des restlichen Gebäude-Komplexes am Schlossberg für eine eventuelle Rathaus-Erweiterung und für ein ein "Haus der Vereine" sagt Franken, dass in zwei Feinanalysen der Raumbedarf für Vereine und Verwaltung erarbeitet sowie die mögliche Realisierung bewertet worden seien. Dies habe zu dem Konzept mit einem Bürger- und Kulturschloss am Schlossberg sowie einem Verwaltungs-Neubau am Unteren Markt geführt.

Zum Verlangen der Initiative nach einem schlüssigen Konzept für den "Unteren Markt" – zum Beispiel mit Bücherei – sowie einem Konzept für die Nutzung der jetzigen Bücherei bezog Franken im Gespräch mit unserer Zeitung ebenfalls Stellung: "Das war meine ursprüngliche Idee, doch im Zuge der ISEK-Feinuntersuchung hat sich herausgestellt, dass zum Beispiel die Bücherei im derzeitigen Rathaus, für die Bürger gewinnbringender ist", sagt er. "Deshalb bin ich zusammen mit dem Gemeinderat von dieser Idee abgerückt und favorisieren das nun die vorliegende."

Inzwischen liegen ein aktuelle Beiträge vor:

Maroder "Schwarzbau": Paarhalle in Reichertshofen ab sofort gesperrt

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