Logo
Anzeige
Anzeige

Der nicht abreißende Zustrom von Flüchtlingen löst bei den Menschen im Kreis Pfaffenhofen Ängste, Sorgen und Unsicherheit aus – das wurde jetzt bei einem Diskussionsabend deutlich. Die zentrale Frage lautet: Wie soll es weitergehen? Für eine verbale Entgleisung sorgte ausgerechnet Menschenrechtler Bernd Duschner mit einem Nazi-Vergleich.

Von Tobias Zell

Bedenken und Unsicherheit, Sorgen und Ängste, Unzufriedenheit mit der Bundes- und Europapolitik sowie die immer wiederkehrende Frage: Wie soll das weitergehen? Der nicht abreißende Zustrom von Flüchtlingen bewegt die Menschen im Landkreis. Das wurde gestern Abend bei einer Diskussionsveranstaltung deutlich, zu der die Kreis-CSU in den Pfaffenhofener Hofbergsaal geladen hatte. Rund 90 Leute waren gekommen, um mit Landrat Martin Wolf (CSU) sowie dem Landtagsabgeordneten und CSU-Kreisvorsitzenden Karl Straub zu diskutieren. 

Die Situation im Kreis ist bekannt: Aktuell sind hier etwa 1050 Asylbewerber untergebracht. In den kommenden Monaten wird mindestens mit einer Verdopplung der Zahl gerechnet. Man rechnet anhand der Prognosen damit, dass sich die Quote der aufzunehmenden Asylbewerber auf zwei Prozent der Bevölkerung erhöht – das wären dann zirka 2400 Flüchtlinge, die ein Dach über dem Kopf brauchen. Allerdings findet man jetzt schon kaum mehr anmietbare Wohnungen oder Häuser, weshalb die Gemeinden nun ja selbst als Bauherren und Investoren aktiv werden wollen. Sollten die Gebäude aber nicht rechtzeitig fertig werden, dann müssen – notgedrungen – übergangsweise Turnhallen belegt werden.

 

Landrat Martin Wolf (links) und der CSU-Abgeordnete Karl Straub.

„Die Flüchtlingskrise“, so hieß es in der Einladung der CSU, erfuhr im Laufe der 2,5-stündigen Diskussion eine durchaus breite Betrachtung. Doch die großen Fragen, das ist klar, die können weder im Kreis Pfaffenhofen noch in München gelöst werden. „Europa versagt im Moment auf der ganzen Linie“, befand Landrat Wolf. „Wir brauchen kein europäisches Parlament, wenn die wirklichen Probleme nicht gelöst werden.“ Widersprechen wollte da keiner, im Gegenteil: Deutschland sei der größte Geldgeber in der Europäischen Union, betonte eine Frau – sie würde schlicht weitere Zahlungen einfrieren, solange die anderen EU-Länder nicht bereit seien, Flüchtlinge aufzunehmen. Auch Straub appelliert: „In der EU muss etwas passieren.“ Er sieht sie „vor einer absoluten Zerreißprobe“. Wenn sie sich jetzt nicht beweise, dann werde es sie irgendwann nicht mehr geben, prophezeit er. 

Der Unmut der Diskutanten richtete sich auch gegen die Bundesregierung, besonders gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Mit ihrem „Herzlich willkommen“ an die Adresse der Flüchtlinge habe sie nicht nur ohne Bundestagsbeschluss gehandelt, schimpfte einer, sondern den größten Fehler der deutschen Nachkriegspolitik begangen. „Warum Merkel diesen unkontrollierten Grenzübertritt gestattet hat, würde ich selber gern wissen“, sagte Straub auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum hin. Er ist sich jedenfalls sicher: „Das war falsch.“ 

Auch Landrat Wolf fand klare Worte: Der „Wir schaffen das“-Satz der Kanzlerin gelte zwar – aber nur auf Sicht. Und wie weit diese Sicht reiche, das wisse man nicht. „Es hängt nicht vom Wollen ab“, bekräftigte Straub und betonte, „dass es irgendwann nicht mehr geht“. Die CSU fordert bekanntlich eine Begrenzung der Zuwanderung. Wie die aber in der Praxis aussehen soll, dazu wollte er sich nicht konkret äußern. „Und was macht ihr, wenn diese Obergrenze erreicht ist?“, fragte einer: Hänge man dann einen Zettel an die österreichische Grenze mit der Aufschrift: „Wir sind voll“? 

Rund 90 Leute waren gekommen, um über die Asylthematik zu debattieren.

„Wer beschützt uns“, wollte ein anderer wissen. Unter den Flüchtlingen seien zahlreiche junge Männer, führte er aus und berichtete, dass junge Mädchen „begrapscht und betatscht“ würden. „Wer beschützt unsere Kinder vor diesen Männern?“, wiederholte er und bekam Applaus. Dieses Thema müsse man offen ansprechen, sagte Wolf und wollte auch gar nichts beschönigen. Er hatte aber ein konkretes Beispiel: In der Asyl-Unterkunft im Feilenmoos, wo 185 alleinstehende männliche Flüchtlinge untergebracht sind, habe man dieses Thema klar angesprochen – und während der Badesaison habe es dann auch „keine Vorkommnisse“ gegeben. 

Eine weitere Wortmeldung bezog sich auf das Bildungsniveau der Asylbewerber. Da kämen ja nicht nur Ärzte aus Syrien, sagte einer und fragte sich, wie ein Hochlohnland wie Deutschland so viele geeignete Arbeitsplätze schaffen solle. „Der Fachkräfte-Mangel kann über Asylbewerber nicht gelöst werden“, stimmte Straub zu und prognostizierte sogar: 90 Prozent der Asylbewerber werden man kurz- und mittelfristig nicht in den Arbeitsmarkt integrieren können. 30 Prozent seien Analphabeten, sagte er und wies zudem darauf hin, dass ungeachtet des aktuellen Zustroms von Asylbewerbern auch jährlich zirka 600 000 Menschen als reguläre Zuwanderer nach Deutschland kommen. 

Auf eine weitere Nachfrage hin erklärte der Abgeordnete, dass derzeit in Deutschland rund 600 000 ausreisepflichtige Asylbewerber leben. „Ein Riesenproblem.“ Doch eine Rückführung sei eben nur möglich, wenn man das Herkunftsland kenne. Und die Betroffenen würden diesbezüglich ihre Mitwirkung verweigern, in dem sie ihr Herkunftsland eben nicht preisgeben und ihren Pass wegwerfen. Straub fordert deshalb seit Längerem, dass Asylbewerbern, die ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen, die Leistungen gekürzt werden. Und grundsätzlich stellte er klar: „Wenn sich jemand nicht an Recht und Gesetz hält, hat er meiner Meinung nach sein Aufenthaltsrecht verwirkt.“

 

Ausgerechnet Menschenrechtler Bernd Duschner leistete sich eine verbale Entgleisung.

Darauf nahm Fabian Flössler, einer der beiden CSU-Kreisgeschäftsführer, Bezug. Seiner Ansicht nach hält sich jeder, dessen Asylantrag abgelehnt wird und der das Land daraufhin nicht verlässt, illegal hier auf. Er warf deshalb die Frage nach einer möglichen „Abschiebehaft“ auf  – auch, um einen „starken Staat“ zu demonstrieren und zur „Abschreckung“, wie er ausführte. Den Pfaffenhofener Menschenrechtler Bernd Duschner empörte das dermaßen, dass er sich zu einer verbalen Entgleisung hinreißen ließ. „Machen wir Dachau wieder auf“, entfuhr es ihm zynisch. Diese Verbindung zum Nazi-Regime bezeichnete Straub wiederum als „Skandal“. 

Zur Sache selbst forderte Duschner eine veränderte internationale Politik. Man müsse den Ursachen der Flucht begegnen. „Schluss mit Waffen-Exporten und militärischen Interventionen.“ Auch der Pfaffenhofener Stadtrat Manfred „Mensch“ Mayer (GfG), der sich stark für Flüchtlinge engagiert, betonte, man müsse gegen die Kriegsursachen vorgehen. Er thematisierte etwa Deutschlands Rolle als Waffen-Exporteur und forderte, einen außenpolitischen Schnitt zu machen bei der Kooperation mit bestimmten Ländern. Vor Ort gelte es indes, das Beste aus der Situation zu machen.  

Grundsätzlich herrschte unter den Diskutanten Verständnis für Menschen, die vor Krieg und Terror flüchten. Niemand verlasse ohne Not seine Heimat, so Straub. Die weltpolitische Lage sei „dramatisch“. Ein anderer bezeichnete die Flüchtlinge auf gut bayerisch als „arme Teufel“. Straubs Credo stieß auf breite Zustimmung: „Verurteilen wir die Situation, aber bitte nicht die Menschen.“ 

Manfred "Mensch" Mayer: Vor Ort das Beste draus machen.

Wie aber soll es weiter gehen? Das war eine der zentralen Fragen des Abends. „Wir müssen über die Leistungsfähigkeit unseres Landes diskutieren“, sagte Wolf. Er forderte, die Asylverfahren zu beschleunigen und anders zu organisieren. Nach einem Vierteljahr müsse ein Flüchtling wissen, ob er bleibe könne oder nicht. Das Modell der Zentren für Balkan-Flüchtlinge brauche man grundsätzlich: Eine schnelle, komplette Prüfung innerhalb einer Einrichtung – erst dann solle eine Weiterverteilung der Menschen erfolgen

Warum Flüchtlinge so viel Taschengeld bekämen, wollte einer wissen. Wolf erklärte: Ein alleinstehender Asylbewerber erhalte 300 Euro im Monat, also zehn Euro am Tag. Wenn das Essen gestellt wird, seien es nur 150 Euro im Monat, also fünf Euro täglich. Eine Diskussion darüber zu führen, ob es nun ein oder zwei Euro am Tag weniger sein sollten, bringe nicht weiter, so der Landrat – „das löst keine Probleme“. Die Kosten entstünden vor allem durch die Quartiere und den Sicherheitsdienst. Die Unterbringung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings kostet laut Straub pro Tag 150 Euro. 

Manfred Russer (CSU), Bürgermeister von Hohenwart und Sprecher der Rathauschefs im Landkreis, zeigte sich froh, dass in Bayern die Gemeinden die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge nicht übernehmen müssen – die trägt der Freistaat. „Sonst wären wir platt.“ Er gibt sich aber warnend bezüglich der Frage, wie viele Flüchtlinge der Landkreis Pfaffenhofen aufnehmen kann. „Ein Prozent lässt sich super händeln, zwei Prozent werden wir auch noch schaffen, aber ich gebe kein Zeichen, dass wir drei Prozent schaffen“, sagte Russer: „Wir werden nicht mehr als zwei Prozent vertragen, das sag ich euch.“ So wie es jetzt laufe, gehe es nicht weiter, befand er mit Blick auf den nicht abreißenden Zustrom.

Weitere Beiträge zum Thema:

"Keine dauerhafte Belegung von Turnhallen"

"Das können wir auf Dauer nicht mehr verkraften"

Gemeinden bauen Asyl-Unterkünfte

"Uns steht die Belegung einer Turnhalle ins Haus"

"Ich habe noch nie so dauerhaft keine Antwort gewusst"

Gemeinden bauen Asyl-Unterkünfte


Anzeige
RSS feed