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Im Kreis Pfaffenhofen ist eine neue Idee zur Bewältigung des Flüchtlings-Zustroms aufgekommen – Die Begeisterung bei den Bürgermeistern hält sich aber offenbar in Grenzen. Außerdem geht es um die Frage der gerechten Verteilung auf die Gemeinden: Zufall oder Quote? 

Von Tobias Zell 

Die Unterbringung von immer mehr Flüchtlingen wird für den Landkreis Pfaffenhofen zunehmend zur Herausforderung. Bis zum Jahresende wird man wohl mindestens 1000 weitere Asylbewerber aufnehmen müssen. Das entspricht dann fast einer Verdopplung der aktuellen Zahl – die innerhalb von gerade einmal gut drei Monaten zu bewerkstelligen ist. Aber wo soll man die Flüchtlinge noch einquartieren? Wohnraum ist ohnehin knapp und die dem Kreis offerierten Immobilien gehen zur Neige.

Landrat Martin Wolf (CSU) hat angesichts dieses Drucks bereits angekündigt, dass notgedrungen die Belegung von kreiseigenen Turnhallen ins Haus steht. Auch Zeltstädte wollte zuletzt keiner mehr ausschließen. Im Gespräch sind auch immer wieder Tragluft-Hallen, natürlich Container, ja sogar Bierzelte oder andere Konstruktionen. Man müsse vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung möglicherweise auf „unkonventionelle Maßnahmen“, zurückgreifen, räumte ein Sprecher der Kreisbehörde heute gegenüber unserer Zeitung ein. 

Nach Informationen unserer Zeitung gibt es in der Tat eine ganz neue und unkonventionelle Idee, die bislang noch gar nicht zur Debatte stand. Die Landkreis-Kommunen könnten selbst als Bauherren beziehungsweise Investoren aktiv werden und auf Gemeinde-Grund sowie auf eigene Kosten Gebäude für die Unterbringung von Asylbewerbern errichten, um sie dann an den Landkreis beziehungsweise an den Freistaat zu vermieten.

Wolf soll diese Idee am Montag bei einem Treffen der CSU-Bürgermeister aus dem Landkreis bereits aufs Tapet gebracht haben. Und morgen, bei der Dienstbesprechung aller 19 Rathauschefs, will er dieses Gedankenspiel angeblich offiziell vorstellen und darüber diskutieren. Die Begeisterung bei den Bürgermeistern hält sich in Grenzen, wie hinter vorgehaltener Hand die Runde macht. Auch in Rathäuser, die nicht CSU-regiert sind, ist die Idee schon vorgedrungen.

Im Landratsamt wollte man dazu auf Anfrage lediglich bestätigten, dass morgen ein Treffen aller Bürgermeister aus dem Landkreis stattfindet, bei dem es um die Unterbringung von Asylbewerbern geht. Da würden die neusten Zahlen und Prognosen vorgelegt sowie das weitere Vorgehen zur Unterbringung der Flüchtlinge besprochen. Bestätigt wurde ferner, dass man sich im Landkreis auf Basis der Prognosen und auf den Fingerzeig aus München hin darauf einstellt, bis zum Jahresende mindestens weitere 1000 Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. 

Klar, angesichts des nicht abreißenden Zustroms hat auch der Kreis Pfaffenhofen immer mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Aktuell sind hier 1250 untergebracht. Das entspricht ziemlich genau einem Prozent der Landkreis-Bevölkerung. Die Planungen gehen aber nun in Richtung zwei Prozent, das hatte Wolf bereits angekündigt. Aber wohin mit weiteren über 1000 Leuten? Darauf hat man derzeit auch in der Kreisbehörde noch keine Antwort. Aus dem Landratsamt war zu erfahren, man aktuell noch vertraglich zugesicherte Immobilien zur Einquartierung von zirka 50 Personen vorweisen kann. Neue Angebote kämen mittlerweile sehr zäh, heißt es, der Markt sei wohl erschöpft.

Landrat Wolf hat deshalb, wie berichtet, bereits angekündigt, dass man bei der Unterbringung der Flüchtlinge nun auf alles zurückgreifen müsse, was sich irgendwie eigne – und dass man künftig keine Rücksicht mehr auf die gerechte Verteilung unter den 19 Gemeinden nehmen könne. Auf gut Deutsch: Man muss nehmen, was man kriegt. Und wo man es kriegt. Da spielen dann Zufall eine Rolle oder einfach Glück. 

Doch genau diese Marschroute imponiert nicht jedem Bürgermeister. Mancher fordert, mehr oder weniger laut und öffentlich, eine gerechte Verteilung auf die Gemeinden – und zwar nach der Quote. Ganz unverhohlen zum Beispiel Pfaffenhofens Rathauschef Thomas Herker (SPD), kaum zurückhaltender Geisenfelds Bürgermeister Christian Staudter (AUL). Das macht es Landrat Wolf nicht leichter und setzt zudem einige Gemeinden unter – zumindest moralischen – Zugzwang. Bezüglich der Erfüllung der Quote haben manche Kommunen noch Nachholbedarf. Gerolsbach zum Beispiel oder Reichertshausen, auch Ernsgaden.

Mit Blick auf die Herausforderung, dass bis zum Jahresende die Zahl der Unterbringungsplätze praktisch verdoppelt werden muss, wird der Landrat schon aus der Not heraus um das verstärkte Engagement seiner Gemeinden bitten müssen. Wie sehr er dieser Bitte Nachdruck verleiht, wird sich zeigen. Bleibt die Frage: Was können die Gemeinden tun, wenn in ihrem Gebiet die Akquise potenzieller weiterer Asyl-Unterkünfte erfolglos bleibt? 

Oder besser gefragt: Welche Handhabe hat der Landkreis überhaupt gegenüber seinen 19 Kommunen? „Die Gemeinden sollen das Landratsamt bei der staatlichen Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerbern unterstützen“, heißt es dazu aus dem Landratsamt. „Sollen“ bedeutet im Verwaltungsrecht zwar „müssen“, wenn nicht handfeste Gründe dagegensprechen. Wobei das in der Praxis vermutlich ein zahnloser Tiger ist. Denn erstens dürfte schon die Mitteilung, dass es eben vor Ort keine freien Wohnungen gebe, ausreichen, um aus dem Schneider zu sein. Und zweitens ist angeblich auch gar nicht genau festgelegt, wie „das Landratsamt unterstützen“ konkret auszusehen hat. 

Eine gesetzliche Verpflichtung für die Gemeinden, Quartiere für Flüchtlinge bereitzustellen, gibt es nach Angaben des Landratsamts jedenfalls nicht. Die Unterbringung von Asylbewerbern sei nämlich keine kommunale Aufgabe, sondern eine staatliche. Nur als äußerste Maßnahme könne das Landratsamt als Staatsbehörde auf Basis des Sicherheitsrechts und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit zum Beispiel eine Gemeinde-Turnhalle in Beschlag nehmen. Doch zu diesem gravierenden Schritt dürfte es in absehbarer Zeit nicht kommen. Das wäre wohl das letzte Mittel. 

Zuständig werden die Gemeinden aber möglicherweise dennoch schneller, als ihnen lieb ist. Denn wenn der Asyl-Status eines Flüchtlings anerkannt ist – bei Syrern zum Beispiel soll das sehr schnell gehen –, dann müsste er eigentlich aus der ihm zur Verfügung gestellten (Gemeinschafts-)Unterkunft ausziehen. Er kann sich dann nämlich eine eigene Wohnung suchen und darf arbeiten. Angesichts der sich verschärfenden Situation ist möglicherweise künftig auch kein Raum mehr für „Fehlbeleger“ in den Unterkünften; das Landratsamt könnte sie nach eigenen Angaben sogar zum Auszug zwingen. Weil aber der Immobilienmarkt so eng ist und viele wohl keine Wohnung finden, würden viele auf der Straße stehen, wären obdachlos. Für Obdachlose ist aber die jeweilige Gemeinde zuständig. 

Und hier schließt sich sozusagen der Kreis der Idee von Landrat Wolf, wonach die Gemeinden selbst aktiv werden und Gebäude errichten könnten. Denn die könnten zunächst als Asyl-Unterkunft vermietet und später dann für „eigene“ Zwecke genutzt werden; zum Beispiel zur Unterbringung von Obdachlosen oder ganz allgemein als Sozialwohnungen. 

Wirklichen Einfluss darauf, ob Gemeinden sich tatsächlich als Bauherren engagieren, hat der Landkreis freilich nicht. Verlangen kann das von den Kommunen keiner. Und so ganz einfach erscheint die Umsetzung dieser Idee auch nicht. Denn dazu braucht es ein geeignetes Grundstück im Gemeindebesitz, die Bereitschaft zur Investition, die Freigabe der Haushaltsmittel sowie einen Ratsbeschluss. Das einzige, was vermutlich vergleichsweise leicht und schnell zu bekommen ist, ist die Genehmigung des Landratsamts. Denn der Landkreis dürfte das größte Interesse an solchen Projekten haben.

Die Gemeinden indes kostet ein solches Engagement erst einmal Geld, das für andere Investitionen nicht zur Verfügung steht. Mit diesem Gedanken befassen müssen werden sich vermutlich vor allem die Gemeinden, die ihre Quote anders nicht erfüllen können.

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