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Fachleute im Interview: Richard L. Riedmaier und Andreas Streb vom Vorstand der Volksbank-Raiffeisenbank Bayern-Mitte sowie Roman Reher und Joe Martin.

(ty) Als großen Erfolg verbucht die Volksbank-Raiffeisenbank Bayern-Mitte die zweite Auflage ihres "Bitcoin-Forums Bayern", das kürzlich in Kooperation mit der hiesigen Technischen Hochschule im Stadttheater in Ingolstadt über die Bühne gegangen ist. Rund 2000 Personen fanden sich ein, um Workshops und Foren, eine Messe oder Side-Events zu besuchen. Weitere 900 Leute waren online per Live-Stream dabei. Das Interesse an der bekannten Kryptowährung und am Austausch über Themen rund um den Bitcoin ist offensichtlich enorm. Wir sprachen bei dem Event mit Richard L. Riedmaier und Andreas Streb vom Vorstand der VR Bayern-Mitte sowie mit zwei weiteren Bitcoin-Experten: Roman Reher, Gründer der Marke "Blocktrainer" und Chef der "bCyber"-GmbH, sowie Joe Martin, Berater, Coach, Autor und Keynote-Speaker.

Es gibt etliche Kryptowährungen, nicht wenige Leute sehen allerdings den Bitcoin als die zukunftsträchtigste und sicherste. Teilen Sie diese Einschätzung?

Reher: Diese Einschätzung teile ich auf jeden Fall und die Begründung ist sehr vielschichtig. Dafür muss man sich damit befassen, wie ein dezentrales Netzwerk sich überhaupt strukturieren kann. Die Art und Weise, wie Bitcoin das macht, ist eine thermodynamische Absicherung. Das ist nichts anderes als physikalisch erbrachte Leistung in der Realwelt, Energie-Verbrauch. Und das ist etwas, was sich nicht kopieren lässt und auch keine Frage von technischen Codes ist, sondern eine Frage von Netzwerk-Effekten. Und das macht Bitcoin sehr stark, denn wenn ein Netzwerk durch weitere Teilnehmer mehr Nachfrage erzeugt, dann zieht es auch mehr Unternehmen an, die dieses Netzwerk nutzen, und wieder weitere Menschen, die dem Netzwerk weitere Legitimität geben. Diese selbstverstärkenden Netzwerk-Effekte hat Bitcoin, die hat auch unser Internet. Und viele könnten jetzt sagen, man könnte ja ein neues Internet bauen mit neuen, besseren Funktionen. Dann ist aber die große Frage, warum sollten Leute das nutzen. Das heißt, wahrscheinlich wird langfristig die Entwicklung, so wie sie das jetzt auch schon getan hat, weiterhin eher in die Richtung "The winner takes it all" abzielen. Mit 100-prozentiger Bestimmtheit kann man das nicht sagen. Aber bisher sieht alles genau danach aus bei Bitcoin.

Volles Haus im Stadttheater von Ingolstadt beim zweiten "Bitcoin-Forum Bayern."

Was zeichnet nun Bitcoin gegenüber anderen Kryptowährungen in puncto Sicherheit aus?

Reher: Das Regelwerk von Bitcoin wird dezentral organisiert. Jeder, der Bitcoin nutzt, kann eigentlich für sich selber entscheiden, nach welchen Regeln sein Bitcoin funktionieren soll. Und sobald man weitere Menschen findet, die denken, dass der Bitcoin nach den gleichen Regeln zu funktionieren hat, ist man eine Gruppe, die Bitcoin nutzt. Wenn man jetzt Regeln verändert, weil man denkt, man weiß es besser, dann muss man Leute davon überzeugen, diese Regeln anzunehmen. Und so hat Bitcoin als dezentrales Netzwerk auch eine dezentrale Regelfindung. Die meisten anderen Kryptowährungen sind relativ zentral organisiert, wenn es um diese Regelfindung geht. Das heißt, um ein Netzwerk wie Ethereum und dahinter eine Foundation, da wird in einem Gremium darüber abgestimmt, wie in Zukunft die Regeln der Geldmenge sind, wann Geld erschaffen, vernichtet wird. Das geht schon fast in Richtung einer Zentralbank. Natürlich in einer ein bisschen verteilteren Struktur aber bei weitem nicht dezentral, wie es Bitcoin ist. Und dieser Unterschied, der liegt eben auch im Detail. Und dazu braucht man auch viel Fachverständnis für das Thema. Und das ist auch das, was von außen so schwer zu bewerten ist, weswegen auch so viele Leute sich auch durch Neid-Narrative schnell blenden lassen, weil ja erstmal Coins und Netzwerke wie Kryptowährungen ebenbürtig aussehen. Wo man einfach vielleicht die Funktionen vergleicht, dann aber feststellt, der Funktionsrahmen ist nicht das, was wirklich essentiell am Ende wichtig ist.

Streb: Vielleicht noch als Ergänzung: Bitcoin war ja die ursprüngliche Blockchain-Anwendung. Da hat man sinnvolle Technologien zu dieser Bitcoin-Blockchain zusammengefasst. Alle anderen Kryptowährungen bauen auf dieser Technologie auf, aber es wurden unterschiedliche Sachen verändert. Zum Beispiel die Anzahl hat man bei Litecoin auf 84 Millionen erhöht, andere haben gesagt, wir verständigen uns auf ein anderes System, wie wir neue Blöcke erstellen. Das ging aber alles zu Lasten der Sicherheit und, wie Roman sagte, hinter allem anderen steckt irgendeine Firma oder ein Geschäftsmodell oder irgendeine Einheit, die das Ganze steuern kann. 

Wer steckt beziehungsweise steht eigentlich hinter Bitcoin?

Streb: Das Netzwerk, alle.

Martin: Jeder kann mitmachen. Wir haben hier heute einen Workshop in der THI, die bauen eine Full-Node. Das ist nichts anderes als ein kleiner Computer, der die gesamte Bitcoin-Blockchain bei sich speichert, lokal. Und das ist der entscheidende Punkt. Man muss also nicht auf einen Server zugreifen oder irgendwo sich einwählen oder auf eine Website gehen, sondern das passiert bei mir zuhause, auf meinem kleinen Computer. Das ist relativ simpel, es könnte auch mein Handy sein. Der entscheidende Punkt ist, es ist nicht irgendwo zentral gespeichert oder verwaltet von jemandem, es ist keine Website, die Amazon, Google, Yahoo oder sonst jemand gehört, sondern das ist mein kleiner Computer. Dort ist die gesamte Historie drauf, von allen Transaktionen die Bitcoin jemals ausgeführt wurden. Der Bitcoin-Erfinder ist nicht bekannt. Es gibt deshalb keine zentrale Person, die Änderungen vornehmen könnte. Bei allen anderen aber gibt es diese zentralen Personen und das allein birgt eine gewisse Unsicherheit.

Was raten Sie mir zu beachten, wenn ich tatsächlich loslegen will?

Streb: Der Kunde muss nicht bis ins letzte Detail verstehen, wie das Netzwerk funktioniert. Er muss nur ein paar Basics wissen. Er muss wissen, dass Bitcoin ein unabhängiges Netzwerk ist, dass es 21 Millionen Bitcoins gibt und dass er auf seinen Privat-Key schauen muss, damit er sicher sein kann, Eigentümer des Bitcoins zu sein. Das ist das, was wir unseren Kunden in einem einstündigen Berater-Gespräch erklären.

Reher: Wenn ich möchte, dann kann ich mich in die Thematik reinarbeiten und kann alles, was damit zusammenhängt, selbst überprüfen, was im Gegensatz etwa zu einer Aktien-Gesellschaft so nicht möglich ist.

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Angenommen, ich interessiere mich nach reiflicher Überlegung für einen Bitcoin-Erwerb, welche konkreten technischen und praktischen Schritte sind dann erforderlich?

Streb: Der Kunde besorgt sich eine Wallet-Adresse – das kann er über unseren Online-Auftritt machen, aber auch bei anderen Anbietern.

Riedmaier: Der Kunde bekommt dann von uns eine Karte, die hat zwei Seiten. Auf der einen ist die Adresse, auf der Rückseite ist der Schlüssel. Bitcoin lade ich mir ja nicht von der Blockchain herunter, sondern ich habe eine Adresse zu diesem Bitcoin-Anteil, den ich mit dem Schlüssel bewege.

Streb: Das ist so zu sehen wie bei der IBAN: Ich brauche sie als Adresse, auf die jeder überweisen kann. Um vom Konto abzuheben, benötige ich eine TAN, das ist bei Bitcoin der Private-Key.

Reher: Diese eben beschriebenen Funktionen gehören nicht exklusiv zu einem Anbieter. Wenn etwa Worte wie Bitbox fallen, dann muss man verstehen, dass die Bitbox sich auch nur der Standard-Funktion des Netzwerks bedient und in einen sicheren Rahmen verpackt. Die Funktion dahinter, diese Schlüssel-Generierung, kann ich mit jedem anderen Gerät machen, das heißt, ich kann ihn mit dem einen Gerät erzeugen und auf einem anderen Gerät weiterverwenden. Ich muss dem Hersteller also nicht dauerhaft vertrauen. Deswegen ist es auch so wichtig, sich damit ein bisschen zu befassen, dass man ungefähr weiß, wie das funktioniert. Und das ist in diesem Schritt ja noch viel wichtiger, als in letzter Konsequenz zu verstehen, warum Bitcoin das sicherere Netzwerk ist, sondern erstmal den sicheren Umgang zu erlernen. Und das ist ja auch das, was die VR-Bank vermittelt.

Der Bitcoin-Kurs hat langfristig eine sensationelle Entwicklung erfahren. Doch es gab auch massive Schwankungen; wie sind diese zu erklären?

Martin: Wenn mehr Leute Bitcoin kaufen als verkaufen wollen, steigt der Preis. Wenn mehr verkaufen wollen, sinkt er. Im Prinzip ist das wie bei Aktien, nur nicht so manipuliert wie diese. Das ist der große Unterschied.

Besteht die Gefahr eines Total-Verlustes? Können meine eigenen Bitcoins verloren gehen, gestohlen werden oder anderweitig verschwinden? Kann eine Situation eintreten, in der ich keinen Zugriff mehr auf meine eigenen Bitcoins habe?

Streb: Wenn keiner mehr Bitcoins kauft, geht der Preis auf null.

Martin: Es gibt einen großen Unterschied zu Firmen: Bitcoin kann nicht pleite gehen. Es ist ja ein weltweites Netzwerk, und wenn die Nachfrage weltweit einbrechen würde – aber wie wahrscheinlich ist das? Es gibt zwei Möglichkeiten, Bitcoins aufzubewahren: Auf meinem Wallet mit dem Code, den ich auch im Schließfach aufbewahren kann, oder ich lasse sie in einer Börse lagern. Dann habe ich aber das zentralistische Problem, dass ich sie auf einem zentralen, von einer Firma gesteuertem System habe. Wenn ich das Ganze auf meinem Handy habe, besteht die Möglichkeit, dass ein Hacker darauf online zurückgreift. Mit einer Hardware-Wallet-Box kann ich das aber ausschließen.

Reher: Wenn man diversifizieren will, hat man vielleicht einen Teil bei einem Anbieter, einen Teil zuhause, einen Teil bei einer Bank im Schließfach. Es gibt ganz viele Sicherungs-Verfahren, die sehr komplex sind und nach oben kein Limit haben.

Andreas Streb, Vorstands-Mitglied der VR Bayern-Mitte.

Welche Rolle kann der Bitcoin, vor allem für Anleger, als Inflationsschutz spielen?

Streb: Wir sind in einem Währungsraum, der noch stabil ist. Aber es gibt ja Währungsräume, das sind die Inflationsraten deutlich höher. Da fragen sich die Leute: Was mache ich jetzt mit meinem Geld? Da kaufe ich lieber begrenzte Güter wie Gold oder Bitcoins. Wenn ich 40 oder 50 Prozent Inflation habe, dann ist mir die Schwankung von Bitcoin eigentlich egal.

Martin: Gold ist im Gegensatz zu Bitcoin für den internationalen Handel nicht verfügbar, nicht teilbar, nicht handelbar genug. 

Reher: Mit einer zunehmenden Nachfrage nach Bitcoins werden diese Schwankungen auch potenziell kleiner. Wenn mehr Geld da ist, bewegen auch Geldsummen den Kurs an sich weniger. Ich glaube, den Menschen ist nicht bewusst, dass diese Schwankungen ganz natürlich sind, gerade in einer sehr risikovollen Welt, in der wir uns heute befinden, und dass etwas wie eine Preisstabilität ja eigentlich ein widernatürlicher Prozess ist. Denn Preisstabilität bedeutet, man eliminiert das Angebot- Nachfrage-Spiel der Menschen – und das ist immer da.

Hat der Bitcoin Ihrer Ansicht nach das Potenzial, möglicherweise irgendwann das Welt-Geld zu werden?

Martin: Die Antwort ist ganz klar: Ja! Aber nicht unter den vorherrschenden ökonomischen Regeln, weil die ökonomischen Regeln, untern denen wir leben, ist ein schuldenbasiertes System. Die ganze Welt besteht aus Verschuldung, Verschuldung, Verschuldung. Bei Bitcoin würde das irgendwann aufhören, bei 21 Millionen, die erst in etwa 100 Jahren erreicht werden. Früher hatte man dafür den Goldstandard.

Reher: Technisch gesehen hat Bitcoin das Potential sowieso. Das Grundsystem basiert auf einer ganz anderen ökonomischen Denkweise. Und zwar auf sparen anstatt verschulden. Das kommt auch ganz auf die Problemstellung an. Zum Beispiel für Menschen in Entwicklungsländern, die vertrauen teilweise ihren eigenen Banken nicht, sie haben nicht den Zugang zum digitalen Geld und zum digitalen Handel. Da ist Bitcoin der sofortige Zugang. Wir hier haben Zahlungs-Systeme, die an sich funktionieren. Was wir als Problem haben, ist die Wertspeicher-Funktion. Wir wollen vielleicht lieber in Bitcoin sparen. Da gibt es verschiedene Ansatzpunkte, wo Bitcoin eine Lösung ist.

Richard L. Riedmaier, Vorstands-Chef der VR Bayern-Mitte, mittendrin im "Bitcoin-Forum Bayern".

Wie groß sollte Ihrer Meinung nach der Bitcoin-Anteil in einem soliden, nicht allzu risikoreichen Depot sein?

Streb: Das muss jeder selbst für sich festlegen. Das kann man nicht pauschal sagen. Wir empfehlen, langsam mit kleinen monatlichen Beträgen einzusteigen. Es geht darum, in einer sauberen Anlage-Struktur sein Vermögen so aufzustellen, dass man sich selber dabei wohlfühlt.

Die Volksbank-Raiffeisenbank Bayern-Mitte sieht sich als Vorreiter beim Bitcoin-Service und bei Bitcoin-Angeboten von Geldinstituten. Welche Aufgaben können Sie in Sachen Blockchain und Kryptowährungen wahrnehmen?

Riedmaier: Wir wollen unseren Kunden als vertrauenswürdiger Partner dabei helfen, zu verstehen, was sie mit einem Bitcoin-Engagement tun. Das Potenzial von Bitcoin und Blockchain ist derzeit noch nicht ansatzweise erschlossen. Es stecken auch so viele Möglichkeiten in dem Thema, die auch das Bankenwesen betreffen. So ist etwa unsere DZ-Bank gerade dabei, eine Blockchain zu nutzen, um Wertpapiere zu emittieren.

* Wie die Volksbank-Raiffeisenbank Bayern-Mitte gegenüber unserer Redaktion bestätigt hat, steigt im kommenden Jahr am Freitag, 10. Oktober, und Samstag, 11. Oktober, die dritte Auflage des "Bitcoin-Forum Bayern". Dann aber in der Saturn-Arena in Ingolstadt. Denn bereits jetzt wird von Seiten der Verantwortlichen mit einem noch größeren Publikums-Interesse gerechnet. 


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