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Während einerseits der Eindruck entsteht, der Landkreis könnte für fast alles zuständig sein, wird andererseits kritisch über freiwillige Leistungen debattiert. Wie sehen das die sieben Bewerber?

(ty) Am 15. März, spätestens aber in der Stichwahl zwei Wochen später, wird der Landrats-Posten im Kreis Pfaffenhofen neu vergeben. Sechs Männer und eine Frau gehen ins Rennen: Albert Gürtner (FW), Andreas Herschmann (SPD), Karl Huber (Bürgerliste), Thomas Neudert (FDP), Martin Rohrmann (CSU), Kerstin Schnapp (Grüne) und Claus Staudhammer (AfD). Unsere Zeitung hat allen dieselben Fragen gestellt und veröffentlicht im Rahmen einer Serie die Antworten zu jeweils einer Frage. In der vierten Folge wollten wir wissen: "Während einerseits nicht selten der Eindruck erweckt wird, der Landkreis könnte für beinahe alles zuständig sein, wird andererseits immer wieder kritisch über die so genannten freiwilligen Leistungen debattiert. Wo sehen Sie hier die Grenzen?"

Albert Gürtner (Freie Wähler):

"Ich will, dass der Landkreis sich auf seine Pflichtaufgaben konzentriert und die freiwilligen Leistungen so weit wie möglich bei den Gemeinden und Städten belassen. Die Kommunen sollen durch eine möglichst geringe Kreisumlage in die Lage versetzt werden, diese freiwilligen Leistungen selbst für ihren lokalen Bereich umzusetzen.

Die gemeinde-übergreifenden Aufgaben wie zum Beispiel der Wirtschaftsförderung, der Unterstützung und Förderung des Ehrenamts oder des Aufbaus von Wohnungsbau-Genossenschaften werde ich als Landrat weiter unterstützen. Die Grenzen sind hier in der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landkreises gesetzt." 

Andreas Herschmann (SPD):

"Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, sucht Gründe. Als Landrat sollte man immer versuchen, Ermessens-Spielräume im Sinne der Antragsteller zu nutzen und aktiv gemeinsame Lösungen suchen. Es liegt letztlich immer an der eigenen Einstellung, ob man seine Mitwirkungspflicht bei Genehmigungs-Prozessen ausfüllt oder ob man sich hinter Paragrafen und Zuständigkeiten versteckt. Bei einigen Pflichtaufgaben sollten wir alles tun, um schnell die rote Laterne abgeben zu können. Platz 325 von 401 Landkreisen in Deutschland bei Familienfreundlichkeit und Lebensqualität oder Platz 393 von 401 beim ÖPNV sind kein Ruhmesblatt für die CSU und ein Standort-Nachteil für uns alle.

Manche Projekte, wie die Teilnahme an der Grünen Woche oder Empfangs-Roboter, halte ich für überflüssig. Aber für einige so genannte freiwillige Bereiche brauchen wir zeitgemäße, zentrale Organisationen, mit denen wir Herausforderungen besser bewältigen können. Zum Beispiel ein Regionalwerk für Energie und Verkehr, mit dem wir bis zu 130 Millionen Euro an der Energiewende lokal mitverdienen und wichtige Projekte finanzieren können, die HallerBau, eine Kreis-Wohnungsbau-Gesellschaft, mit der wir Sozial- und Azubi-Wohnungen bauen können, oder ein Ausbildungs-Campus für Berufsbildung und Erwachsenenbildung mit Ansiedlung einer Fachakademie für soziale Berufe. Auch für unser Kommunal-Unternehmen Strukturentwicklung, KUS, setze ich neue Schwerpunkte. Die Ausweitung der Ökomodellregion und die Förderung der Vermarktung von regionalen Produkten."

Karl Huber (Bürgerliste):

"Grenzen werden dort überschritten, wo Rechtswidrigkeit beginnt. In der Landkreis-Ordnung für den Freistaat und den ergänzenden Vorschriften ist klar geregelt, wofür der Kreis zuständig ist und wofür nicht. Er kann nicht willkürlich oder nach Belieben Aufgaben an sich ziehen und sich für deren Vollzug zuständig erklären. Was über die Landkreis-Ordnung hinausgeht, kann vom Kreis nur wahrgenommen werden, wenn alle Gemeinden zustimmen. Diese Systematik ist in der bayerischen Verfassung so vorgegeben. Der Kreis ist insbesondere bei allen gemeinschaftlichen und überörtlichen Maßnahmen gefordert, die die 19 Kommunen alleine nicht stemmen können oder wollen.

Die Aufgaben-Erfüllung des Landkreises und der Gemeinden unterliegt dem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel und den damit verbundenen neuen Weichenstellungen und Herausforderungen. Dies gilt gerade in Zeiten des Umbruchs. Was vor zehn, 20 oder 30 Jahren als Landkreis-Aufgabe noch sehr wichtig war, kann heute unbedeutend sein. Auf der anderen Seite sind neue Bedürfnisse in der Bevölkerung entstanden, für deren Erfüllung die Gemeinden oder der Kreis sich einsetzen können. Freiwillige Leistungen muss man daher von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand stellen, ob sie noch zeitgemäß sind und ob sie noch einen Mehrwert für die Bürger bringen. Die Zeiten von Symbolpolitik sollten vorbei sein. Dies wird vor dem Hintergrund der abflauenden Wirtschaft und der zurückgehenden Steuereinnahmen noch mehr an Bedeutung gewinnen, da bin ich mir sicher."

Thomas Neudert (FDP):

"Der Eindruck, dass der Landkreis beinahe für alles zuständig ist, kommt daher, dass er eine Doppelfunktion erfüllt: Das Landratsamt ist sowohl untere staatliche Verwaltungsbehörde des Freistaats Bayern als auch Behörde für die Selbstverwaltungs-Aufgaben des Landkreises. Oft ist der Spielraum für eigenes Agieren sehr beschränkt. Dies ist anders bei den so genannten freiwilligen Leistungen.

Wie der der Name schon sagt, kann hier relativ frei, über das Ob und Wie entschieden werden. Allerdings hängt das stark von den finanziellen Möglichkeiten ab. Meiner Meinung nach sollte der Kreis nur die Aufgaben übernehmen, die eine Gemeinde nicht selbst besser erledigen kann."

Martin Rohrmann (CSU):

"Ich verstehe das Amt des Landrats als modernen Dienstleister mit einem offenen Ohr für alle Bürgerinnen und Bürger von Nord bis Süd. Als Jurist kenne ich die Zuständigkeits-Bereiche sehr genau. Unabhängig hiervon bleibe ich als Landrat Ansprechpartner bei den unterschiedlichsten Anliegen. Es gilt, Antworten zu finden oder zumindest Lösungen anzubieten. Denn ich kenne die Ermessens-Spielräume im Gesetz, die bei Entscheidungen wohlwollend auszunutzen sind.  In der bayerischen Landkreis-Ordnung sind die Angelegenheiten – wie zum Beispiel Krankenhaus und weiterführende Schulen – genannt, wobei die Belange des Umwelt- und Naturschutzes zu berücksichtigen sind.

Freiwillige Leistungen – wie Weiterbildung, Kulturpflege oder auch der ÖPNV – sind Abwägungssache. Hier sind immer wieder die Gemeinden mit einzubeziehen und positiv zu unterstützen. Wir alle wollen nicht nur leben, wir wollen uns wohl fühlen, unsere Zeit genießen. Unser Landkreis ist facettenreich und bietet vielfältige Möglichkeiten. Damit dies so bleibt, müssen wir die Investitionskraft der Gemeinen erhalten, für eine niedrige Kreisumlage sorgen und freiwillige Leistungen auf ein sinnvolles Maß begrenzen. Ich biete als Landrat die höchste Dialogbereitschaft, um in Absprache aller Beteiligten – Kreis und Kommunen – Projekte anzugehen."

Kerstin Schnapp (Grüne):

"Die Pflichtaufgaben des Landkreises sind festgelegt, wie beispielsweise die erforderlichen Krankenhäuser zu errichten. Diskussionen und Kritik entstehen dann, wenn wir einer klaren Pflichtaufgabe des Landkreises, wie dem Bereitstellen von Pflegeplätzen, nur mangelhaft nachkommen. Obwohl uns eine Studie des ZDF jüngst bescheinigt hat, dass wir bei der Pflege-Situation auf Platz 391 von 401 Landkreisen und kreisfreien Städten stehen, war das Top-Thema im Kreistag ein kulleräugiger Begrüßungs-Roboter. Der andere Teil der Zuständigkeits-Diskussion ist: Welche Lösungs-Ansätze siedeln wir in welchem Umfang beim Landkreis oder aber bei dem Gemeinden an. Die Herausforderungen in der Region sind unstrittig: von bezahlbarem Wohnraum über den Umgang mit – oftmals verdeckter – Armut bis zur Wirtschafts-Förderung.

Gesetzlich ist definiert: Im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landkreises und der Gemeinden soll jeder in seinem so genannten Wirkungskreis, sprich auf seinem Gemeinde- beziehungsweise im Landkreis-Gebiet, die öffentlichen Einrichtungen schaffen, die für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl der Einwohner erforderlich sind, und dabei Belange des Natur- und Umweltschutzes berücksichtigen. Der Gesetzgeber lässt dabei Kommunen und Kreis die Freiheit, sich Aufgaben gegenseitig zu übertragen oder gemeinsam in interkommunalen Projekten lösen. Die Grenze der Zuständigkeit ist also die Entscheidung: Wo packt man miteinander an, wo ist es effektiver, wenn jede Gemeinde für sich handelt. "

Claus Staudhammer (AfD):

"Freiwillige Leistungen sind abhängig von der politischen Willensbildung einerseits und auch von den finanziellen Möglichkeiten der Kommune andererseits. Die Grenzen der Förderungen mittels Kreiszuschüssen in Form von freiwilligen Leistungen sind grundsätzlich dann erreicht, wenn es zu einem Konflikt im Finanzierungs-Ausgleich zwischen Landkreis und der untergeordneten Kommune kommt und dadurch das Selbstverwaltungsrecht einer Gemeinde vom Landkreis tangiert oder gar verletzt wird. Es ist generell von Vorteil für die Beteiligten, förderfähige Bereiche klar einzugrenzen und Handlungsfelder zu definieren. Man muss Richtlinien festlegen.

Der vereinbarte Rahmen der förderfähigen Leistungen geht noch einher mit den Bereichen der Daseins-Vorsorge, reicht aber auch darüber hinaus in Sektoren wie überregionale Veranstaltungen oder kulturelle Förderungen hinein. Kritisch wird es dann, wenn politisch motivierte Ideologien eine übergeordnete Rolle zu spielen pflegen. Vernunftbasierte Sachargumentation zum Wohle der Bürgerschaft im interkommunalen Konsens zu betreiben ist ein gutes Rezept, einvernehmlich miteinander auszukommen. Im Übrigen ist aber auch gegen eine lebhaft geführte Debattenkultur im Kreistag grundsätzlich nichts einzuwenden."

Bisherige Fragen und Antworten:

Fragen an die Landrats-Kandidaten (3): Jetzt geht's um ÖPNV und Mobilität

Fragen an die Landrats-Kandidaten (2): Die Ilmtalklinik und das jährliche Defizit

Fragen an die Landrats-Kandidaten (1): Zum Auftakt geht's um Digitalisierung


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