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Wohnungsnot, Bildung und Kritik am Staat waren heute zentrale Themen bei der Mai-Kundgebung des DGB in Pfaffenhofen.

Von Alfred Raths

Unter dem Motto „Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit" stand die Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) am heutigen Vormittag auf dem Pfaffenhofener Sparkassenplatz. Nicht gespart wurde dabei an Kritik in Sachen Wohnungsbau vom Dritten Bürgermeister Roland Dörfler (Grüne), der in Doppelfunktion – als Vorsitzender des DGB-Kreisverbands und als Stellvertreter von Rathauschef Thomas Herker (SPD) – sprach, ehe Karl Musiol von der IG-Metall Ingolstadt neben einem Plädoyer für eine offene Gesellschaft auch auf Gesundheitspolitik und Rente sowie bezahlbaren Wohnraum einging.

Gerade für die junge Generation, doch nicht nur für jene, fehle es an bezahlbaren Wohnraum , monierte Dörfler. „Viele von euch arbeiten, um zu leben – aber es werden immer mehr, die nur arbeiten, um zu wohnen.“ Die Ausmaße würden allmählich untragbar. „Mittlerweile greift der Mangel an bezahlbaren Wohnungen derart um sich, dass selbst in kleinen Städten, wie hier in Pfaffenhofen, eine adäquate Wohnung zum Luxus wird.“ Dörfler sieht hier den Staat in der Pflicht, dessen Verfassungsauftrag es sei, für günstigen Wohnraum durch Förderung zu sorgen.

„Leider ist es aber im Freistaat so, dass sich die bayerische Staatsregierung noch nie viel aus der Verfassung gemacht hat.“ In München liege der durchschnittliche Mietpreis in München mit 10,50 Euro pro Quadratmeter fast drei Euro höher als der durchschnittliche Mietpreis aller anderen deutschen Großstädte „In Pfaffenhofen, im Speckgürtel Münchens, sieht es nicht viel besser aus.“ Die Mietpreis-Bremse, so Dörfler, habe ihr sozialpolitisches Ziel nicht erreicht.

Roland Dörfler: DGB-Kreischef, Grünen-Politiker und Dritter Bürgermeister von Pfaffenhofen.

Bayerische Mittel für den sozialen Wohnungsbau seien im Haushalt des vergangenen Jahres von 157 Millionen auf 87 Millionen Euro nahezu halbiert worden. Es brauche jetzt ordnungspolitische Maßnahmen: „Wenn der bayerische Staat seinem Verfassungsauftrag nachkommen will, dann ist es höchste Zeit für den Bau von bezahlbarem Wohnraum", so Dörfler weiter. Pfaffenhofen nahm der DGB-Kreischef als Beispiel dafür, wie auch Kommunen aktiv werden könnten. „Wir in Pfaffenhofen sind dabei, sozialen Wohnraum zu schaffen, und wir werden in den nächsten Jahren mindestens 30 Millionen Euro dafür investieren.“

Als weiteres bedeutendes Thema griff Dörfler die Bildungspolitik auf und beklagte, dass Bayern das Bundesland sei „in dem der soziale Background der Familie die mit Abstand größte Rolle für den Bildungserfolg spielt“. An der frühen Selektion im dreigliederigen Schulsystem müsse sich etwas ändern. Deshalb trete der DGB für „eine Schule für alle“ ein. Die Privatisierung im Bildungsbereich sei jedoch zu stoppen.

Für äußerst bedenklich hält Dörfler die zunehmende Einmischung der Wirtschaft in Schulangelegenheiten. „Die Staatsregierung muss eigenes Geld in die Hand nehmen und in die Zukunft unserer Kinder investieren.“ Ebenso müsse aufgepasst werden, dass beim digitalen Wandel keiner auf der Strecke bleibe. „Das passiert aber, wenn wir nichts tun und die Weiterbildung allein den Betrieben und dem Markt überlassen.“ Die Staatsregierung müsse deshalb endlich ein Landesweiterbildungsgesetz unter Einbeziehung der Sozialpartner erlassen.

Musiol, der bei der IG-Metall in Ingolstadt als politischer Sekretär beschäftigt ist, knüpfte mit seiner eigenen Familiengeschichte an das Motto „Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit" an und erklärte, dass er mit seinen Eltern in den 1980er Jahren aus Polen nach Deutschland gekommen sei und die ihm mit diesem Schritt ein besseres Leben ermöglichen wollten. Der Teil "gelebte Vielfalt" sei damit schon bewiesen. Er appellierte: „Lasst und solidarisch sein mit allen Menschen, die eine bessere Zukunft für ihre Kinder wünschen. Völlig egal, wo sie leben, völlig egal, welchen Status sie in ihren Papieren haben!“

Es gebe jedoch Rechtspopulisten in den Parlamenten, die national und neoliberal seien sowie für Privatisierung, den Abbau sozialer Sicherung und Rückzug des Staates stünden, so Musiol. Er warnte: „Davon profitieren nur Reiche. Und das bisschen, was an Solidarität übrig bleib, soll ausschließlich an Deutsche gehen. Das ist mittelalterlich. Da gruselt's mich.“

Die Sicherung der Rente sei ein Teil der Gerechtigkeitsfrage. Es bräuchte dazu gute und vor allem steigende Löhne. Musiol schreibt es dem Druck der Gewerkschaften zu, dass sich SPD, CDU und CSU einig darüber seien, das Renten-Niveau bis zum Jahr 2025 bei mindestens 48 Prozent zu stabilisieren. Das aber reiche nicht. „Wir brauchen mehr Solidarität im System, damit die Rente am Ende auch reicht", fordert Musiol: "Die Rentenfrage ist eine Verteilungsfrage!“

Einen ersten Schritt haben nach Dafürhalten von Musiol die Gewerkschaften beim Gesundheitssystem durchgesetzt: „Endlich wird der Krankenkassen-Beitrag wieder geteilt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.“ Nun brauche es aber eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Niemand dürfe in eine private Krankenversicherung flüchten. Als Skandal sieht Musiol an, dass Pflegekräfte in den Altenheimen und bei den Pflegediensten mangels Personal überlastet seien. Abhilfe könnten laut Musiol ein Personalschlüssel von 1:2 sowie allgemeinverbindliche Tarifverträge schaffen. Es sei jetzt Aufgabe der Politik, da einzugreifen.

Auch auf den Mangel bezahlbarer Wohnungen ging Musiol ein: „Meine Arbeit kann noch so gut sein, meine Arbeit kann noch so gut bezahlt sein – wenn meine Wohnung mich auffrisst, bleibt kein guter Feierabend. Wenn mein Gehalt allein für Essen und Miete draufgeht, bleibt kein guter Feierabend. Wenn ich ganz gut verdiene, aber die Eigentumswohnung eine halbe Million kostet, habe ich keinen guten Feierabend!“

Wie könne eine Stadt funktionieren, in der ein Durchschnitts-Verdiener nicht leben könne, so die rhetorische Frage von Musiol. „Hier in der Region leben ja nicht nur Audi- und BMW-Manager.“ Bezahlbares Wohnen sei ein Menschenrecht, betonte er und forderte: „Die Preistreiberei bei Wohneigentum muss aufhören.“ Auch hier sei die Politik am Zug, müsse an den entsprechenden Stellschrauben drehen. 


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