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Hintergrund ist die gesetzlich vorgeschriebene Hilfsfrist. Beschluss sorgt für kontroverse Debatte. Forderung nach weiterem Rettungswagen im Landkreis.

(zel) Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehr-Alarmierung in der Region Ingolstadt hat heute beschlossen, den Standort des Pfaffenhofener Rettungswagens für eine Probephase von sechs Monaten im Zeitraum von 9 bis 17 Uhr, in dem die Rettungswache in Rohrbach besetzt ist, nach Scheyern zu verlegen. Das wurde aus dem Landratsamt mitgeteilt. Der Beschluss werde "sobald wie möglich" umgesetzt. "Verrückt" sei das, kommentierte Markus Käser, Chef der SPD in Stadt und Kreis. Im Pfaffenhofener Stadtrat hatte man vorgerechnet, dass sich dadurch die Situation für 11 300 Menschen verbessern, aber für 31 000 verschlechtern würde. Manfred Betzin (CSU), der Bürgermeister von Jetzendorf, appellierte, das Thema sachlich und nicht politisch zu betrachten. "Alle Menschen müssen uns gleich viel Wert sein", so Vize-Landrat Anton Westner (CSU).

 

"Wir sind gehalten, die rechtlichen Vorgaben des bayerischen Rettungsdienstgesetztes und der Ausführungsverordnung hierzu umzusetzen. Ansonsten könnte uns ein Rechtsverstoß und bei einem tragischen Ereignis ein Organisationsverschulden vorgeworfen werden. Diesem Vorwurf möchte ich mich nicht aussetzen", erklärte der Pfaffenhofener Vize-Landrat Anton Westner (CSU) zu dem heutigen Beschluss. "Alle Einwohner im Gebiet des Rettungszweckverbands müssen uns gleich viel wert sein", betonte er. "Aus dem Probebetrieb erwarten wir belastbare Zahlen zum realen Einsatzgeschehen als Grundlage für weitere Entscheidungen", fasste Westner die Überlegungen des Rettungszweckverbands zusammen.

Im Pfaffenhofener Stadtrat, der sich bereits Mitte Oktober mit der anvisierten Rettungswagen-Verlegung nach Scheyern befasst hatte, herrschte – wie berichtet – blankes Unverständnis. Die Kommentare reichten in der damaligen Sitzung von "nicht tragbar" über "Käse" bis "stinkt zum Himmel". Was da "technokratisch" anvisiert werde, sei eine Watsch für 31 000 Menschen, schimpfte Bürgermeister Thomas Herker (SPD). Wie die Stadtverwaltung anhand von Daten und Zahlen veranschaulicht hatte, würde die Situation nur für wenige besser, aber für viele schlechter. Käser sprach nicht bloß von einer "Milchmädchen-Rechnung", sondern prangerte Rechenspiele mit Menschenleben an. Man brauche keine Standort-Debatte, so die einhellige Meinung aus Pfaffenhofen, sondern einen weiteren, fünften Sanka im Landkreis. 

 

Das Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) am Klinikum der Universität München hatte festgestellt, dass in den Gemeinden Gerolsbach und Jetzendorf sowie in Ortsteilen der Gemeinden Scheyern und Reichertshausen die gesetzlich vorgeschriebene Hilfsfrist von zwölf Minuten in vielen Fällen nicht eingehalten werden könne. Paragraf 2, Absatz 1, der Verordnung zur Ausführung des bayerischen Rettungsdienstgesetzes (AVBayRDG) verlangt aber nach Angaben aus dem Landratsamt, dass Standort, Anzahl und Ausstattung der Rettungswachen und Stellplätze so zu bemessen seien, dass Notfälle im Versorgungsbereich einer Rettungswache in der Regel spätestens zwölf Minuten nach dem Ausrücken erreicht werden können. Sei das nicht der Fall, habe der Rettungszweckverband unverzüglich über Verbesserungs-Maßnahmen zu entscheiden.

Das INM hat demnach errechnet, dass die zwölfminütige Hilfsfrist in den Kommunen Gerolsbach und Jetzendorf sowie in den Ortsteilen von Reichertshausen und Scheyern weit überwiegend eingehalten werden könne, wenn der an der Pfaffenhofener Ilmtalklinik stationierte Rettungswagen für den Zeitraum, in dem die Rettungswache in Rohrbach besetzt sei, nach Scheyern verlegt werde. Es bestehe dabei die Möglichkeit, den tageszeitlichen Verlagerungszeitraum zum Beispiel an den Schichtwechsel am Stellplatz in Rohrbach anzupassen.

 

"Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sich die Hilfsfrist im Stadtgebiet Pfaffenhofen im Verlagerungszeitraum zwar verlängert, aber innerhalb von zwölf Minuten bleibt", erklärt Westner heute zu den Auswirkungen der Rettungswagen-Verlagerung auf die Kreisstadt. Die vom INM berechneten Zahlen seien Planzahlen, so Westner. "Wir brauchen aber, um weiter entscheiden zu können, belastbare Zahlen in Echtzeit, auf der Basis des tatsächlichen Einsatzgeschehens." Vorrangiges Ziel des Rettungszweckverbands bleibt nach den Worten von Westner "natürlich, dass wir für den südlichen Landkreis einen fünften Rettungswagen bekommen". 

Ferner will Westner betont wissen, dass der im Juli dieses Jahres in Rohrbach stationierte, vierte Rettungswagen "eine hervorragende Arbeit" leiste sowie eine deutliche Verbesserung der Notfallversorgung im mittleren Landkreis und in Pfaffenhofen bringe. Seit der Inbetriebnahme des Stützpunkts Rohrbach habe sich der Erreichungsgrad der Zwölf-Minuten-Hilfsfrist im Versorgungsbereich Geisenfeld von 78,5 auf 86,9 Prozent und im Versorgungsbereich Pfaffenhofen von 84,7 auf 93,6 Prozent sowie im Versorgungsbereich Reichertshofen von 87,0 auf 92,4 Prozent verbessert. Das zeige, dass Rohrbach der richtige Standort sei. Strategisches Ziel für den Landkreis sei, so bekräftigt Westner, dass ein fünfter Rettungswagen dauerhaft im südlichen Landkreis installiert werde. Der Vize-Landrat forderte heute alle "politischen Kräfte" dazu auf, hier an einem Strang zu ziehen.

"Statt einen fünften Rettungswagen zu installieren, wird nun also der Pfaffenhofener Sanka tatsächlich nach Scheyern verlegt", empörte sich SPD-Chef Markus Käser in einer ersten Reaktion auf den heutigen Beschluss. "Verrückt" sei das, schimpft er und beklagt "ein Rechenspiel auf Kosten von Kranken und Notfällen von rund 31 000 Bürgern in Pfaffenhofen und Schweitenkirchen." Entscheidend sei nicht alleine wo der Sanka stehe, sondern die Lücke, wenn der südliche Rettungswagen im Einsatz gebunden sei. "Wir brauchen den fünften Rettungswagen im Süden und keine Standort-Rechenspiele", bekräftigte Käser.

Manfred Betzin (CSU), Bürgermeister von Jetzendorf, entgegnete auf Käsers Kritik: Die Entscheidung beinhalte eine temporäre Verschiebung des Rettungswagens aus Pfaffenhofen, begrenzt auf ein halbes Jahr, von 9 bis 17 Uhr – und nur, wenn auch der Rohrbacher Rettungswagen einsatzbereit sei. "Der Standort Pfaffenhofen steht nicht zur Diskussion", so Betzin. Er appellierte an Käser, das Thema sachlich zu behandeln und "nicht aus politischer Motivation heraus" nur das darzustellen, was zur eigenen Sichtweise passe. Die Entscheidung sei im Rettungszweckverband heute einstimmig getroffen worden und auf Nachfrage habe es keinerlei Einwände gegeben. Den fünften Rettungswagen "wollen wir alle", stimmt Betzin indes Käser zu, "weil wir einen zusätzlichen RTW brauchen".

Durch die zeitweise Verlegung des Rettungswagens nach Scheyern würden – so war im Oktober im Pfaffenhofener Stadtrat von Seiten der Verwaltung ausgeführt worden – Notfälle in den südwestlichen Landkreis-Gemeinden bis zu sechs Minuten schneller erreicht. Notfälle in der Stadt Pfaffenhofen würden dagegen bis zu sechs Minuten langsamer erreicht – jedoch noch innerhalb der Zwölf-Minuten-Frist. Mit einer Verlagerung nach Scheyern ließe sich die Anzahl der Überschreitungen dieser Zwölf-Minuten-Grenze im südlichen Landkreis jährlich um 151 auf 82 Notfälle reduzieren, hieß es auf Grundlage der jüngsten Daten. Das sei "technokratisch nachzuvollziehen", räumte Bürgermeister Herker ein, praktisch aber "macht man mehr kaputt, als man gewinnt". Er sprach von einer Watschn für 31 000 betroffene Menschen. 

Denn, so wurde aus Pfaffenhofener Sicht erläutert: Die Verlegung des Rettungswagens nach Scheyern habe ausschließlich die Zwölf-Minuten-Frist im Blick – nicht aber die Gesamtzahl der Notfälle und auch nicht die Gesamtzahl der Einwohner. Nach Angaben der Stadtverwaltung ergäbe sich damit für gut 31 000 Menschen – nämlich die Einwohner von Pfaffenhofen und Schweitenkirchen – eine Verschlechterung. Für rund 9300 Menschen – in Hettenshausen, Ilmmünster und Reichertshausen – bliebe die Situation etwa gleich. Eine Verbesserung ergäbe sich indes für rund 11 300 Menschen; nämlich die Einwohner von Gerolsbach, Jetzendorf und Scheyern.

Bisherige Beiträge zum Thema:

Kein Rettungswagen mehr in Pfaffenhofen?

Klare Forderung: Kreis Pfaffenhofen braucht fünften Rettungswagen

SPD fordert fünften Rettungswagen im Landkreis Pfaffenhofen

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