Logo
Anzeige
Anzeige

Der Reichertshofener Bauausschuss verweigerte den Plänen zur Schaffung einer Gemeinschafts-Unterkunft für 131 Flüchtlinge im Ortsteil Winden am Aign einstimmig das Einvernehmen und beruft sich dabei auf das "Gebot der Rücksichtnahme" – Vor der Sitzung gab es eine Demonstration am Rathaus

Von Tobias Zell

Wenn es nach den Lokalpolitikern geht, darf in Winden am Aign keine Asylbewerber-Unterkunft für 131 Flüchtlinge entstehen. Der Bauausschuss von Reichertshofen hat am Dienstagabend einem Antrag auf die entsprechende Nutzungsänderung einstimmig das Einvernehmen verweigert. Damit folgte das Gremium dem Beschlussvorschlag der Gemeindeverwaltung, die mit Verweis auf das in Paragraf 15 der Baunutzungsverordnung geregelte „Gebot der Rücksichtnahme“ eine fundierte Grundlage sieht, um dem umstrittenen Vorhaben Absage zu erteilen. Zu entscheiden hat letztlich das Pfaffenhofener Landratsamt als zuständige Genehmigungsbehörde; jedoch spielt die Haltung der Kommune eine keineswegs beiläufige Rolle. 

Vor der Sitzung des Bauausschusses fand eine Demonstration am Rathaus statt.

Abseits aller Paragrafen herrschte im Ausschuss der klare Tenor: 130 Asylbewerber seien für das 830-Einwohner-Dorf einfach zu viel. Und genau diese Meinung vertraten im Vorfeld der Sitzung auch gut 130 Bürger, die sich vor dem Rathaus zu einer Demonstration versammelt hatten, um ihrem Unmut über die umstrittenen Pläne Luft zu verschaffen. Friedlich, aber unmissverständlich machten sie mit Plakaten und Trillerpfeifen darauf aufmerksam, dass sie nicht wollen, dass im ehemaligen Pensions-Gasthaus Däuber an der Hauptstraße so viele Flüchtlinge einquartiert werden. Dabei geht es den Einheimischen nicht um die Ablehnung von Asylbewerbern im Dorf, sondern um die ihrer Meinung nach völlig unverhältnismäßig hohe Zahl.

Wie berichtet, ist seit Bekanntwerden der Pläne – der Eigentümer des Däuber-Anwesens steht bereits mit der Regierung von Oberbayern in Verhandlungen – einiges in Bewegung geraten. Eine Online-Petition wurde gestartet, dem Wolnzacher CSU-Abgeordneten Karl Straub (CSU) wurden außerdem eine Petition an den Landtag sowie eine Eingabe an die Bezirksregierung übergeben – und jetzt fand im Vorfeld der Sitzung eine (beim Landratsamt angemeldete) Demonstration statt. Die Stoßrichtung all dieser Aktionen ist und war stets dieselbe: Man ist bereit, Asylbewerber in Winden aufzunehmen – aber die im Raum stehende Zahl von 130 Leuten wird als deutlich zu hoch erachtet.

Rund 130 Leute kamen zu der Demo – ungefähr genau so viele Asylbewerber sollen in Winden einquartiert werden.

„Macht unsere Heimat nicht zum Auffanglager!“, „Bürger, wehrt Euch!“ oder „131 sind zu viele für unseren kleinen Ort“, stand zum Beispiel auf den Schildern, die einige Demonstranten in die Höhe reckten. „Integration statt Massenhaltung“, forderte ein Banner: „Wer fragt uns?“ Werner Klein betonte stellvertretend für die Demonstranten via Megaphon, wie unverhältnismäßig hoch die Zahl von 131 Asylbewerberin für das 823-Einwohner-Dorf sei. Man habe grundsätzlich nichts gegen die Flüchtlinge, betonte er – es gehe einzig und allein um die Zahl. Zum wiederholten Mal wurde ein Maximum von 50 Personen genannt; wie auch bereits in der Petition an den Landtag.

Klein unterstrich zudem, dass man auf die Versprechungen von Landrat Martin Wolf (CSU) nichts gebe, wonach hauptsächlich Familien in Winden einquartiert werden sollen: "Kann uns das der Landrat Wolf garantieren? Wahrscheinlich nicht, der Sprüchemacher!" Dem Kreischef wurde gar unterstellt, ihm sei das "wurscht"; Hauptsache, „er hat seine Quote beieinander". Ein Appell ging an den Gemeinderat samt Bürgermeister Michael Franken (JWU) – die Kommunalpolitiker müssten sich jetzt für die Bürger einsetzen.

"Integration statt Massenhaltung" forderte ein Banner.

Am liebsten hätte dann wohl auch jeder der Demonstranten die Sitzung des Bauausschusses live mitverfolgt, doch aus Platz- und Sicherheitsgründen hatte die Gemeinde nur rund 40 Zuhörer zugelassen. Eigens engagiertes Security-Personal sorgte dafür, dass alles in geregelten Bahnen verlief; und es blieb auch ruhig.

In der Sitzung ging es aber teilweise recht hitzig her. Die CSU monierte nicht ausreichende Unterlagen und fehlende Beschlussvorlagen und wollte deshalb mehrere Tagesordnungspunkte – darunter auch den zur Asyl-Unterkunft – vertagt wissen. Franken betonte, dass alles korrekt sei, und berief sich auf eine Rücksprach mit der Rechtsaufsicht am Landratsamt. Die Mehrheit genehmigte die vorliegende Agenda, somit konnte die mit Spannung erwartete Sitzung beginnen. Das Thema Winden – eigentlich erst Tagesordnungspunkt 2.6 – wurde auf einstimmigen Beschluss vorgezogen.

Um dieses Gebäude im Reichertshofener Ortsteil Winden geht es.

Franken führte aus, was die vom Eigentümer des Däuber-Anwesens beantragte Nutzungsänderung vorsieht: Demnach sollen im Erdgeschoss drei Zimmer mit insgesamt neun Betten sowie in der ehemaligen Disco elf Zimmer mit insgesamt 41 Betten und im Erdgeschoss-Anbau weitere drei Zimmer mit insgesamt zehn Betten neu entstehen. Dazu kämen im ersten Obergeschoss 13 bestehende Zimmer mit insgesamt 34 bis 42 Betten sowie im Dachgeschoss zwölf bestehende Räume mit 26 bis 33 Betten. Macht unterm Strich 120 bis 135 Plätze, davon 51 neu geschaffene. Insgesamt geht es um 960 Quadratmeter. Für die rund 130 Asylbewerber sind – laut den Plänen – noch ein Aufenthaltsraum mit 45 Quadratmetern und eine Küche mit 28 Quadratmetern vorgesehen. 

Nun kann – bei aller Skepsis oder Kritik aus Bürgerschaft oder Politik gegenüber einem Antrag – eine Gemeinde bei baurechtlichen Fragen aber nicht nach Gefühl oder Sympathie entscheiden, sondern hat zur Verweigerung des Einvernehmens stichhaltige Gründe vorzubringen. Ansonsten kann das Landratsamt als Genehmigungsbehörde das gemeindliche Einvernehmen „ersetzen“, wie man sagt. Das heißt: Das Landratsamt sagt trotzdem Ja. Denn in Deutschland hat man das Recht auf Genehmigung eines Antrags, wenn nicht handfeste Gründe dagegenstehen.

 

Volles Haus: Rund 40 Zuhörer waren zur Sitzung zugelassen – mehr durften aus Sicherheitsgründen nicht rein.

Deshalb hat man sich im Rathaus von Reichertshofen auf die Suche nach stichhaltigen Gründen gemacht, um das gemeindliche Einvernehmen zur Schaffung der Unterkunft für rund 130 Asylbewerber verweigern zu können. Dabei ist man, wie berichtet, auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin aus dem Jahr 1987 gestoßen. Damals sei mit Verweis auf Paragraf 15 der Baunutzungsverordnung das „Gebot der Rücksichtnahme“ ins Feld geführt worden. Und genau darauf berief man sich nun, um das gemeindliche Einvernehmen zu verweigern. Bürgermeister Franken dankte seiner Verwaltung für die Ausarbeitung und betonte: Für diese Begründung „werden wir auch kämpfen“. 

In dem besagten Urteil von 1987 ging es um die Nutzungsänderung für ein Altenheim in einem allgemeinen Wohngebiet mit 39 Plätzen, das in eine Unterkunft für 71 Asylbewerber umgewandelt werden sollte. Das OVG erklärte die Baugenehmigung damals für unzulässig, weil es die „Grenze der Gebietsverträglichkeit“ durch die Erweiterung der Belegungskapazität von 39 auf 71 Plätze als überschritten erachtete – 39 Plätze wären demnach zulässig gewesen. Auf dieser Basis argumentiert man auch im Fall Winden; hier sollen ja 51 neue Plätze geschaffen werden.

Außerdem war bei der Gemeinde das Schreiben eines Bürgers eingegangen, das die Sorgen der Windener im Grunde zusammenfasst: Man befürchtet soziale Konflikte und eine Überforderung des Dorfs, sieht die Integration von 130 Flüchtlingen im 830-Einwohner-Ort als problematisch, hat Angst vor einem dauerhaften Brennpunkt und glaubt den sozialen Frieden in Gefahr. Die Empfehlung der Gemeindeverwaltung lautete jedenfalls, das Einvernehmen zu verweigern – und so wurde es ja dann auch einstimmig beschlossen.

In der Diskussion bezeichnete Georg Pfab (JWU) die Pläne für das Däuber-Anwesen als „bedenklich“. Das sehe aus „wie Hühnerhaltung in Käfigen.“ Außerdem seien 131 Asylbewerber für Winden „eindeutig“ zu viel. Er verwies auf die Prognosen des Landratsamts, wonach bis zum Ende des Jahres 1200 Flüchtlinge im Landkreis untergebracht werden müssen: Das würde bedeuten, dass mehr als zehn Prozent  der Asylbewerber für den Landkreis in Winden einquartiert seien. Jeder sei für die Aufnahme von Flüchtlingen, betonte Georg Pfab – aber nicht in dieser Dimension. „30 langen bis in d’Haut nei“, meinte er auf gut Bayerisch.

Den Plänen zur Nutzungsänderung des ehemaligen Pensions-Gasthauses Däuber erteilte der Bauausschuss eine klare Absage.

Aus der Sicht von Waltraud Schembera (SPD) sind maximal 50 Asylbewerber sinnvoll. Sie verwies zum einen auf die vorhandenen Zimmer in dem Gebäude und betonte außerdem, dass bei 25 bis 50 Flüchtlingen die Integration und das Miteinander im Dorf noch möglich seien. Der Kontakt zu den Asylbewerbern sei wichtig. „Aber mit einer Masse kann man keinen Kontakt aufnehmen“, sagte sie. „Indiskutabel“ sind für Schembera außerdem die Pläne, wonach für 131 Leute nur eine Küche und ein Aufenthaltsraum zur Verfügung stehen soll.

Bürgermeister Franken übte Kritik an der Regierung von Oberbayern und indirekt auch am Landratsamt. „Bislang hat uns weder die Regierung noch sonstwer nach unserer Meinung gefragt“, sagte er. Man befasse sich mit diesem Thema jetzt nur deshalb, weil ein Antrag auf Nutzungsänderung vorliege.  Franken ließ durchblicken: Wäre eine Nutzungsänderung nicht nötig gewesen, wäre man möglicherweise vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Wir beschäftigen uns heute nicht damit, weil wir gefragt worden sind, ob wir das wollen.“

Nach der Demo abgestellte Schilder.

Josef Pfab (CSU) sagte, dass er die Informationspolitik von Franken „absolut daneben“ finde. Er hätte gerne vorab nähere Details gewusst. Der Bürgermeister versicherte aber, die vollständigen Unterlagen seien erst am Montag vergangener Woche eingereicht worden. Außerdem hätte jeder im Rathaus nachfragen können – das sei aber nicht passiert. Und die Kritik von Seiten der CSU, dass es problematisch sei, nach den in der Sitzung gehörten Informationen eine Entscheidung zu fällen, wies Franken zurück. Er habe sich im Landratsamt rückversichert und dort sei ihm erklärt worden: Von einem Gemeinderat könne erwartet werden, dass er einen solchen Sachvortrag erfasse.

„Die Zuschauer brauchen unsere Polemik nicht“, kommentierte Elisabeth Großmann (JWU) die Attacken der CSU. Franken betonte, man habe von Seiten der Gemeindeverwaltung „fundierte Argumente“ vorgetragen, um das gemeindliche Einvernehmen zu der Unterkunft für 130 Asylbewerber in winden  zu verweigern. Wenn man dieser Empfehlung folge, treffe man „keine Willkür-Entscheidung“. Am Ende fiel der Beschluss ja auch einstimmig. Der Bauausschuss von Reichertshofen – und damit die Gemeinde – verweigert das Einvernehmen. Nun ist das Landratsamt am Zug. Vom Tisch ist das Thema jedenfalls noch nicht.

Weitere Beiträge zum Thema:

"Macht unsere Heimat nicht zum Auffanglager"

"Jedes Maß an Verhältnismäßigkeit verloren"

Widerstand aus Winden: Petition und Demonstration

In Winden geht die Sorge um


Anzeige
RSS feed