Menschen stecken sich äußerst selten an, doch fast alle Betroffenen sterben. Übertragung erfolgt über Feldspitzmäuse, die selbst nicht erkranken, den Erreger aber ausscheiden. Behörden raten zu Vorsichts-Maßnahmen.
(ty) Zwei Männer mittleren Alters aus dem Stadtgebiet von Pfaffenhofen sind nachweislich mit dem Borna-Virus infiziert worden. Das wurde heute vom Landratsamt bekannt gegeben. Einer der beiden Männer sei kürzlich an den Folgen gestorben; der andere befinde sich in intensiv-medizinischer Behandlung. Das sei "Besorgnis erregend", so Landrat Albert Gürtner (FW). Dass sich ein Mensch mit dem lebensbedrohlichen Borna-Virus (BoDV-1) ansteckt, gilt nach Angaben von Experten als äußerst selten. Wie eine Expertin vom bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittel-Sicherheit (LGL) erklärte, handle es sich jedoch um ein "sehr tödliches Virus": Die allermeisten Betroffenen sterben – trotz medizinischer Versorgung. Übertragen wird der Erreger von der Feldspitzmaus, die ihn ausscheidet, ohne selbst zu erkranken.
Beim "Borna Disease Virus 1" (BoDV-1) handelt es sich nach Angaben des LGL um den Erreger der "Borna'schen Krankheit", von der man seit mehr als 250 Jahren weiß. "Ursprünglich als Erreger einer Tierseuche bei Pferden, Schafen und anderen Säugetieren bekannt, wurde das Virus erst 2018 als Ursache schwerer Gehirn-Entzündungen beim Menschen identifiziert", erklärt das Pfaffenhofener Landratsamt. Seit der Einführung der Melde-Pflicht zum 1. März 2020 seien dem Robert-Koch-Institut (RKI) bis zu sieben akute Fälle von BoDV-1-Enzephalitis pro Meldejahr übermittelt worden. Deutschlandweit seien bislang insgesamt 55 Infektionen registriert worden; laut LGL davon die meisten in Bayern.
Infizierte Feldspitzmäuse als Auslöser
So genanntes Virus-Reservoir für BoDV-1 ist nach Behörden-Angaben die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon). "Infizierte Feldspitzmäuse scheiden das Virus unter anderem über Kot, Urin und Speichel aus, ohne selbst zu erkranken." Laut LGL kann eine Übertragung des Virus nach aktuellem Forschungs-Stand durch den Kontakt zur Feldspitzmaus und/oder deren Ausscheidungen erfolgen. Der genaue Übertragungsweg von der Feldspitzmaus auf den Menschen sei jedoch aktuell nicht bekannt. Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) komme BoDV-1 in weiten Teilen Bayerns endemisch in Feldspitzmäusen vor.
Feldspitzmäuse und deren Ausscheidungen können nach aktuellem Forschungsstand das Borna-Virus übertragen. (Foto: Henning Vierhaus, FLI)
Wie Merle Böhmer vom LGL heute auf Nachfrage unserer Redaktion erklärte, werde nach aktuellem Stand davon ausgegangen, dass unter natürlichen Bedingungen keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung des BoDV-1 erfolge. Das Gesundheitsamt von Pfaffenhofen ist nach eigenem Bekunden derzeit intensiv mit der Klärung eines möglichen Infektionswegs der beiden betroffenen Männer aus Pfaffenhofen befasst und steht in engem Kontakt mit dem LGL. Bei einem Presse-Gespräch wurde heute von einer sehr langen Inkubationszeit berichtet: Zwischen der Infektion mit dem Borna-Virus und dem Auftreten der ersten Symptome könnten mehrere Wochen bis ein Monat vergehen. Eine Impfung gegen BoDV-1 gebe es bislang nicht.
Schwere Gehirn-Entzündung als Folge
Infektionen mit BoDV-1 beim Menschen sind laut LGL äußerst selten, verlaufen aber zumeist tödlich. "Erkrankte Personen leiden zu Beginn meist an unspezifischen Krankheits-Zeichen wie Kopfschmerzen, Fieber und allgemeinem Unwohlsein. Innerhalb weniger Tage zeigen sich dann Symptome, die auf eine Beeinträchtigung des Nervensystems hinweisen, etwa Verhaltens-Auffälligkeiten, Sprach- und Gangstörungen." Im weiteren Krankheits-Verlauf entwickle sich eine schwere Gehirn-Entzündung und Betroffene fielen binnen Tagen bis Wochen in ein tiefes Koma. Die überwiegende Mehrheit – mehr als 90 Prozent – der bisher bekannten Fälle beim Menschen sei infolge der BoDV-1-Infektion gestorben. Eine spezifische Behandlungs-Möglichkeit von BoDV-1-Enzephalitis gebe es bisher nicht.
Info-Veranstaltung geplant
Das Landratsamt von Pfaffenhofen plant nach eigenem Bekunden, diese Woche in Kooperation mit der Stadtverwaltung von Pfaffenhofen eine gemeinsame Info-Veranstaltung für die Bürgerinnen und Bürger anzubieten. Details dazu würden zeitnah bekannt gegeben, hieß es heute. Besorgte Bürger könnten sich per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! wenden.
Vorsichts-Maßnahmen
Das Landratsamt hat darauf hingewiesen, dass das LGL wie auch andere Fachbehörden grundsätzlich empfehlen, den Kontakt zu Spitzmäusen und deren Ausscheidungen zu vermeiden sowie folgende Vorsichts-Maßnahmen zu beachten:
♦ "Lebende oder tote Spitzmäuse sollten nicht mit bloßen Händen berührt werden." Bei der Entsorgung toter Spitzmäuse seien bestimmte Vorsichts-Maßnahmen zu treffen. Weiteres dazu findet man auf der Internet-Seite des LGL; hier der direkte Link.
♦ "Sollten Spitzmäuse im häuslichen oder Arbeitsumfeld identifiziert werden, gilt es, ihre Nahrungsquelle herauszufinden und sie ihnen zu entziehen", so die Kreis-Behörde weiter. "Spitzmäuse akzeptieren zum Beispiel im Außenbereich angebotenes Hunde- oder Katzenfutter. Auch Kompost-Haufen oder andere Abfälle können durch das reiche Nahrungs-Angebot an Insekten für Spitzmäuse interessant sein."
♦ "Generell sollen Orte, an denen ein Kontakt mit den Ausscheidungen von Spitzmäusen auftreten kann, wenn möglich gemieden werden beziehungsweise Arbeiten an solchen Orten, vor allem mit Staub-Entwicklung (Kehren), sollten nur unter den entsprechenden Hygiene- beziehungsweise Vorsichts-Maßnahmen erfolgen", heißt es weiter: "Dies sind zum Beispiel Straßenböschungen, Steinmauern, Hecken oder generell auch Schuppen und Garagen oder andere für wildlebende Kleintiere zugängliche Gebäudeteile."
♦ "Spitzmäuse sollten nicht als Haustiere gehalten werden", wird betont.
♦ Weitere Informationen zum Borna-Virus bietet das LGL im Internet auf seiner Internet-Seite unter diesem Link sowie in einem Flyer, der auch online unter diesem Link abrufbar ist.
Empfehlungen für die Beseitigung von toten Spitzmäusen, Ausscheidungen und Reinigung
♦ "Sollte man in seinem Wohn- oder Arbeits-Umfeld eine tote Spitzmaus finden (zum Beispiel, weil eine Katze diese ins Haus gebracht hat), sollte der Tierkörper schnellstmöglich sicher beseitigt und kontaminierte Flächen (Böden, Arbeitsflächen und andere Oberflächen) sorgfältig mit Haushalts-Reiniger gesäubert werden", erklärt das Landratsamt
♦ Dabei sollte man den Angaben zufolge Gummi-Handschuhe sowie bei Staub-Entwicklung möglichst einen eng anliegenden Mund-Nasen-Schutz oder eine FFP2-/FFP3-Maske tragen.
♦ Die tote Spitzmaus sowie deren mögliche Ausscheidungen sollte man, so heißt es weiter, dann zunächst gründlich mit einem handelsüblichen Reinigungsmittel besprühen. "So verhindert man, dass bei der Entsorgung beziehungsweise Reinigung virus-beladener Staub aufgewirbelt wird", erklärt die Landkreis-Behörde.
♦ Die tote Spitzmaus sollte man der Empfehlung zufolge in einer über die Hand gestülpten Plastiktüte aufnehmen, diese dann verschließen und mit dem Restmüll entsorgen.
♦ Nach staubigen Arbeiten wird empfohlen, sofort zu duschen und Haare zu waschen sowie die benutzte Kleidung waschen.
Woran erkennt man eine (Feld-)Spitzmaus?
"Spitzmäuse haben deutlich spitzere Nasen beziehungsweise Gesichter als echte Mäuse. Zudem zeichnen sie sich durch einen stechenden Geruch sowie relativ kleine Augen und Ohren aus", heißt es aus dem Landratsamt. "Feldspitzmäuse sind insgesamt sehr selten. Sie leben auf Brachgebieten, zum Beispiel Straßenböschungen, Steinmauern oder unter Hecken. Sie sind scheu und nachtaktiv." Mit der Feldspitzmaus eng verwandt seien die Garten- und Hausspitzmaus. Die Feldspitzmaus könne anhand ihrer zweifarbigen Färbung mit deutlicher Grenze zwischen Oberseite (grau/braun) und Unterseite (weiß) von der Garten- und der Hausspitzmaus unterschieden werden. "Es ist bisher unbekannt, ob auch die Garten- oder die Hausspitzmaus BoDV-1 übertragen können", so das Landratsamt.