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Landrat Martin Wolf (CSU) blickt angesichts des Abgas-Skandals mit Sorge nach Ingolstadt: Er prophezeit Veränderungen, die auch die Hallertau (be)treffen – und mahnt.

Von Tobias Zell

Der Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf (CSU) blickt in diesen Tagen durchaus aufmerksam nach Ingolstadt – und mit einer gewissen Sorge. Der Abgas-Skandal bei Audi und VW wird die Großstadt teuer zu stehen kommen: Die Gewerbesteuer-Einnahmen brechen erdrutschartig weg, es geht vielleicht über die Jahre um Hunderte Millionen Euro. Welche Folgen das wiederum für den Nachbar-Landkreis Pfaffenhofen haben wird, das sei derzeit „noch unklar“, sagte Wolf am Donnerstagabend bei einer Versammlung der Pfaffenhofener CSU.  Doch eines signalisierte er recht deutlich: Es werden Veränderungen kommen, die – mittelbar oder unmittelbar – auch die Hallertau (be)treffen.

Prosperität endet selten an der Landkreis-Grenze, ist meist regional zu beobachten. Und auch wirtschaftliche Krisen sind nur in Ausnahmefällen kommunal. Rund 600 junge Leute aus dem Kreis Pfaffenhofen besuchen Schulen Ingolstadt, so Wolf. Da geht es auch um so genannte Gastschul-Beiträge. Die nördlichen Kommunen sind beim ÖPNV in das INVG-System eingebunden, das recht preisgünstig sei. Noch, möglicherweise. Die Verbindungen zwischen dem Kreis Pfaffenhofen und Ingolstadt sind mitunter eng. Nicht nur bei der „Initiative Regionalmanagement“ (Irma), die man in ihrer Bedeutung wohl eher vernachlässigen darf, sondern zum Beispiel auch beim digitalen Gründerzentrum, für das Ingolstadt den Zuschlag erhalten hat.

 

Vor allem aber betreibt Audi einen Standort in Münchsmünster, wo aktuell mehr als 800 Mitarbeiter im Drei-Schicht-Betrieb tätig sind.  sowohl die Zahl der Mitarbeiter als auch die Fläche soll noch zunehmen. 850 Mitarbeiter sei – so Audi – der nächste Schritt. Eine Erweiterung der Fertigung in Münchsmünster ist nach Aussage des Konzerns möglich. Ein rund 15 Hektar großes Gelände westlich des Standorts ist dafür bereits im Besitz von Audi. Der Bebauungsplan für eine Industriefertigung liegt seit kurzem öffentlich aus. Das Kompetenzzentrum für Hightech-Fahrwerk-Komponenten, Aluminium-Strukturbauteile und Pressteile wird heuer voraussichtlich mehr als 23 Millionen Bauteile herstellen; das ist weit mehr als die ursprünglich geplante Stückzahl von 21 Millionen. 

Klar ist jedenfalls: Wenn es mit Audi bergab geht, dann ist das nicht nur ein Ingolstädter Problem. Und falls gar die Automobil-Branche ins Straucheln geraten sollte, dann wäre der Kreis Pfaffenhofen mittendrin. Nicht nur geografisch. Dann könnte die „gute Lage“ des Landkreises, die Wolf einmal mehr unterstrich, ihre Schattenseite offenbaren. Denn dann würde eine Krise die Hallertau von zweite Seiten, von Ingolstadt (Audi) und von München (BMW) her, in eine teuflische Zange nehmen.

 

„Die Automobil-Branche wird sich verändern“, prophezeit Wolf. Um das zu unterschreiben, muss man weder sein Fan, noch sonderlich mutig und schon gar kein Hellseher sein. Drei Schlagworte nennt der Pfaffenhofener Kreischef: Den Abgas-Skandal und seine Folgen. Die Elektro-Mobilität. Und die Digitalisierung. Schnell könnten sich die Dinge ändern, mahnt Wolf. Schnell könne sich viel ändern. 

Klar dürfte sein, dass die Zukunft der Mobilität dem elektrisch getriebenen Auto gehört. Da ist Audi zwar nicht gerade ein Pionier, doch darum geht es nicht. Die Frage ist vielmehr: Mit wie vielen Arbeitern weniger kann man Elektro-Autos produzieren, wenn es ganze Komponenten-Segmente – wie Einspritz-Technologien, Abgas-Anlagen, Getriebe oder Katalysator-Technik – gar nicht mehr geben wird?

 

Landrat Martin Wolf (CSU) bei der Eröffnung des Auto-Standorts Münchsmünster. (Archivfoto: Zell).

Um Elektro-Autos zusammenzubauen, braucht man weniger Beschäftigte als bei herkömmlichen Fahrzeugen. Dieses Thema geht man in Ingolstadt, wie kürzlich bereits berichtet, aktuell eher vorsichtig an. Nicht so bei Volkswagen, der gebeutelten Konzern-Mutter. Personalchef Karlheinz Blessing gab der FAZ unlängst ein Interview zu diesem Thema. Und sagte: Beim notwendigen Personalabbau gehe es nicht um ein paar hundert Mitarbeiter, sondern um eine Zahl im fünfstelligen Bereich.

„Wir werden die Beschäftigtenzahl reduzieren, aber nicht wegen des Themas Diesel. Elektromobilität, autonomes Fahren, Digitalisierung werden die Geschäftsmodelle der gesamten Automobil-Industrie grundlegend verändern“, sagte Blessing. „Wo Aufgaben entfallen, werden wir frei werdende Arbeitsplätze nicht wiederbesetzen, wir werden Stellen entlang der demographischen Kurve abbauen, und wir werden das Instrument Altersteilzeit nutzen. Wir werden die Beschäftigtenzahl reduzieren.“

Sollte auch Audi die Zahl seiner Beschäftigten reduzieren, dann betrifft das jedenfalls auch den Kreis Pfaffenhofen. Das weiß Landrat Wolf freilich nur zu gut. Allein auf die Automobil-Industrie zu setzen, sei „gefährlich“, sagt er klipp und klar. Unter seiner Regie lautet das Schlagwort deshalb „Branchen-Mix“. In diesem Zusammenhang verteidigt er auch das interkommunale Gewerbegebiet Bruckbach, das war kein Augenschmaus ist, wo aber das Familien-Unternehmen Thimm für rund 60 Millionen Euro auf einem rund 90 000 Quadratmeter großen Areal ein hochmodernes Wellpappe-Werk errichtet, in dem mittelfristig zirka 150 Mitarbeiter beschäftigt werden sollen. Und wo die BayWa ein Agrar-Zentrum ansiedeln will, wie Wolf betonte. 

Schön mag das Gewerbegebiet Bruckbach vielleicht nicht sein. Ist das aber der Preis, den es zu bezahlen gilt, um dem gewünschten Branchen-Mix den nötigen Raum zu geben? Wie auch an der A9 bei Schweitenkirchen, wo ein Logistik-Unternehmen einen mächtigen Komplex hingeklotzt hat. „Wirtschaft ist nicht alles“, sagt Wolf, „aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.“

 

Bei den neuen Entwicklungen „dürfen wir keinen Schritt verpassen“, mahnt der Landrat mit Blick auf die Digitalisierung. Auch hier könne der Kreis Pfaffenhofen von Ansiedlungen profitieren – die eben zum Beispiel aus dem neuen Gründerzentrum in Ingolstadt resultieren. „Wir wollen versuchen, Digitalisierungs-Ideen in den Landkreis zu bekommen.“ 

Auf der einen Seite sorgt Industrie 2.0, 3.0 oder 4.0 dafür, dass Computer-Programme, Maschinen oder Roboter menschliche Arbeitskraft ersetzen, auf der anderen Seite herrscht Fachkräfte-Mangel. Heute ist morgen schon gestern. Manchmal entwickeln sich die Dinge so gravierend, dass man dem Fortschritt nicht in seiner Geschwindigkeit folgen kann oder will beziehungsweise ihm schlicht misstraut. Gutenbergs revolutionäre Änderungen beim Buchdruck waren längst nicht mehr neu, als im Jahre 1485 einige Mönche die frisch produzierten Exemplare eines Regensburger Messbuchs einzeln mit der Vorlage verglichen, um sicherzugehen. 

Man müsse den Menschen die Angst nehmen vor den Veränderungen in der Wirtschaft und in der Arbeitswelt, sagt der Pfaffenhofener Landrat. Ihnen die Sorge nehmen vor einem Strukturwandel in der Beschäftigung. Man müsse die Entwicklungen selbst mitgestalten und „dabeibleiben“, lautet sein Appell. „Sonst wird man abgehängt.“


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